Es gehört zu den akademischen Gepflogenheiten aller Disziplinen, das Leben und Wirken verstorbener Fachkollegen resümierend zu betrachten, mit dem Tod also eine Art wissenschaftliche Bilanz zu ziehen. Der Rahmen,
innerhalb dessen die öffentliche Würdigung vollzogen wird, spiegelt zugleich den Rang des Toten. Anlässlich des 150. Jubiläums des Kieler Historischen Seminars fragt der Beitrag anhand der fachinternen Memorialkultur
nach der Erinnerungspraxis der universitären Geschichtswissenschaft in Bezug auf jene Historiker, die zwischen 1872 und 2022 am Historischen Seminar lehrten und forschten. Denn Erinnerung und Geschichtsschreibung,
egal ob populär oder akademisch, unterliegen immer auch kulturellen Konventionen und kein Nachruf kommt umhin, bei der Würdigung eines verstorbenen Kollegen oder einer verstorbenen Kollegin nicht auch ein Licht
auf das Gesamtfach zu werfen. Der Beitrag will somit eine weitere Schneise in ein bislang wenig beackertes Forschungsfeld schlagen: Zum einen wird der Quellenwert von Nachrufen für die moderne Wissenschafts- und
Universitätsgeschichte verdeutlicht, zum anderen werden die spezifischen Eigenarten geschichtswissenschaftlicher Erinnerungskulturen am Beispiel des Nationalsozialismus hinterfragt. Im Mittelpunkt steht dabei die
äußerst leicht zu stellende, aber nur schwer zu beantwortende Frage, wie eigentlich an Wissenschaftler in Nachrufen erinnert wird.
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