Zusammenfassung Obwohl das Setting Pflegeheim einige Besonderheiten aufweist, die im Hinblick auf die Entstehung von „moral distress“ (MD) bedeutsam sind, wurde MD bislang primär im Akutbereich untersucht. Die dabei zugrunde liegende klassische Definition von MD wird zunehmend kritisiert und die Erweiterung um Stress durch moralische Unsicherheit gefordert. In der vorliegenden qualitativen Studie wurde daher explorieret, in welcher Form MD von Pflegekräften in Pflegeheimen erlebt wird. Es wurden Leitfadeninterviews mit 21 Pflegekräften aus 5 Pflegeheimen geführt. Die vollständig transkribierten Interviews wurden mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet, unter Anwendung deduktiver (skalierende und inhaltliche Strukturierung) und induktiver Techniken. Ein skalierender Analyseschritt ergab, dass MD zumeist in mäßiger Ausprägung erlebt wurde. Die Befragten schilderten Situationen, in denen sie moralischen Stress erlebten, da sie durch Barrieren am moralisch korrekten Handeln gehindert worden waren. Diese Situationen ließen sich induktiv in die Kategorien „unnötige/falsche Therapie am Lebensende“, „falscher Umgang mit herausforderndem Verhalten“, „schlechte Pflege allgemein“ und „unnötige Krankenhaustransporte“ zusammenfassen. Entscheidungen durch Angehörige und Ärzte zählten zu den meist genannten externen Barrieren; mangelnde Courage war die meist genannte interne Barriere. Die Befragten schilderten jedoch auch Stressreaktionen der Kategorie „moralische Unsicherheit“, insbesondere in der „end of life care“ und bei Krankenhaustransportentscheidungen, v. a., wenn der Wille des Bewohners nicht bekannt war, oder aufgrund mangelnder ärztlicher Erreichbarkeit. Die Befunde unterstreichen die Notwendigkeit einer breiten Konzeption von MD auf theoretischer und Interventionsebene.
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