Bálint Balla und Anton Sterbling (Hg.): Ethnicity, Nation, Culture. Central and East European Perspectives

Abstract

Akkomodation", "Sozialisation" und "Integration". Das Modell besticht zwar nicht durch theoretischen Tiefgang -die gewählten Kategorien werden nur knapp skizziert und stehen ziemlich unvermittelt nebeneinander -, aber es reicht trotzdem aus, um der komplexen Datenbasis einige interessante Befunde abzugewinnen. Das gilt namentlich für die in dieser Nachdrücklichkeit nicht ohne weiteres zu erwartende Erkenntnis, dass die befragten Ostdeutschen den durch den Transformationsprozess auferlegten Belastungen durchaus mit psychisch stabilen und rationalen Verarbeitungsmustern (66) begegnen. Das gilt aber auch für den Nachweis, dass die an der Speyerer Werteforschung orientierte Wertetypologie in beiden Teilen Deutschlands im Wesentlichen ähnliche Ausprägungen zeigt (78ff.) und das Wertepotenzial der Ostdeutschen sehr wohl geeignet ist, die Herausforderungen gesellschaftlicher Modernisierung erfolgreich zu bewältigen. Auf die Frage, wie sich in der hochgradig reglementierten staatssozialistischen DDR überhaupt Formen persönlicher Selbstständigkeit und Freiräume als Voraussetzungen der genannten individuellen Wertorientierungen entwickeln konnten, antwortet Gensicke mit der These, dass die Nischen selbstständiger Lebensgestaltung als systemisch nicht-intendierte, gleichwohl unvermeidliche Folgen der "Unmöglichkeit einer funktionierenden Planwirtschaft" (125) entstanden seien, -also nicht wegen, sondern trotz des herrschenden sozialen Systems. Diese etwas konventionelle These erscheint aber nur bedingt richtig zu sein, wenn man berücksichtigt, dass es in der DDR auch systemimmanente Zusammenhänge zwischen institutionellen Formen und subjektiven Entfaltungsmöglichkeiten gegeben hat. Darauf verweisen neuere Untersuchungen wie die von Götz Richter über "Soziale Bindungen zwischen System und Lebenswelt" (Konstanz 1999) am Beispiel von Sozialerfahrungen in "Volkseigenen Betrieben" der DDR. Nichtsdestoweniger ist die Auffassung Gensickes einleuchtend, dass die "Mentalität der Ostdeutschen", welche die Grundlage der in der Umbruchsituation aktualisierten subjektiven Verhaltensdispositionen bildet, von den industriegesellschaftlichen Strukturen der DDR geprägt wurde.Als Ergebnis der ersten drei kategorialen Dimensionen des eingangs skizzierten Modells kann Gensicke trotz vielfacher Differenzierungen ein überraschend hohes Maß an Übereinstimmungen, Parallelen, vergleichbaren Einstellungsprofilen und Wohlfahrtsoptionen der ost-und westdeutschen Populationen verzeichnen.Dieser Befund kontrastiert scharf mit den Resultaten aus der Untersuchung der vierten kate-gorialen Dimension, also der Integrationserfahrung der ostdeutschen Befragten. Hier treten nun signifikante Unterschiede zu Tage; denn die Akzeptanz des "neuen Systems" und seiner institutionellen Merkmale wie Marktwirtschaft und parlamentarische Demokratie ist so niedrig, dass von einer emotionalen Identifikation mit dem "bundesdeutschen System" keineswegs die Rede sein kann. Die Ursache dafür liege in der Diskrepanz zwischen im Wesentlichen vergleichbaren individuellen Wert-und...