Zusammenfassung
Hintergrund Im Rahmen artifizieller Störungen werden Symptome oder Krankheiten künstlich erzeugt, verstärkt oder vorgetäuscht, was in Folge zu schwerwiegenden körperlichen Schäden und erheblichem Missbrauch medizinischer Ressourcen führen kann. Die klinische Symptomatik ist gekennzeichnet durch protrahierte Krankheitsverläufe mit häufigen Klinikwechseln und multiplen invasiven Eingriffen aufgrund von ungewöhnlichen, meist chronischen Befunden. Differenzierte Symptomdarstellungen, fehlende Kenntnis der Krankheitsmerkmale und der schnelllebige Klinikalltag können zur Aufrechterhaltung der Erkrankung durch Nichterkennen oder Fehlbehandlung führen.
Methode Anhand klinischer Falldarstellungen aus einer Universitätsklinik für Plastische Chirurgie und auf Grundlage von selektiver Literaturrecherche soll ein Überblick über das Krankheitsbild der artifiziellen Störung und mögliche Handlungsstrategien gegeben werden.
Ergebnisse Ergibt sich klinisch der Verdacht auf das Bestehen einer artifiziellen Störung, sollten invasive Therapien begrenzt und psychosomatische oder psychiatrische Expertise eingeholt werden. Im Rahmen einer empathischen Arzt-Patienten-Beziehung und psychotherapeutischer Begleitung können Betroffene sukzessive an die Diagnose und Therapie herangeführt werden und Behandlungsabbrüche vermieden werden.
Schlussfolgerung Kenntnis über mögliche Indizien, die sich in der Anamnese, den Befunden und dem Verhalten der Patienten darstellen können, kann zur erfolgreichen Identifizierung und adäquaten Therapieeinleitung Betroffener führen. Dafür sollte die artifizielle Störung auch in primär somatischen Bereichen der Medizin in differenzialdiagnostische Überlegungen miteinbezogen werden. Da die Diagnose häufig auf Indizien basiert und durch vorenthaltene Informationen oder die ärztliche Schweigepflicht erschwert ist, könnte perspektivisch das Einführen eines zentralen Melderegisters zu einer schnelleren Diagnose und verbesserten Therapie führen