Es gibt sowohl in der neutestamentlichen wie in der patristischen Wissenschaft einige Kernthemen, in denen historische Fragestellungen so eng mit gegenwärtigen systematisch-theologischen Problemfeldern zusammenhängen, dass die historische Arbeit immer wieder und für jeden aufmerksamen Beobachter auch leicht erkennbar von den systematischen Prämissen des jeweiligen Forschers überlagert wird. Das vielleicht prominenteste Beispiel dieser ständigen Überlagerungen ist wohl die Frage, wie sich in den ersten Jahrhunderten das Amt oder präziser: die kirchlichen Ämter entwickelt haben -wenn man die neuere Debatte über Alter und Authentizität der Ignatianen ansieht, wie sie noch einmal aufbrach, als Reinhard Hübner seine Thesen in der "Zeitschrift für Antikes Christentum" zur Diskussion stellte 2 , wird man den Eindruck nicht ganz los, dass hier bei einigen Kollegen besonders deutlich systematischtheologische Prämissen die historische Untersuchung dominieren. Ob der jeweilige Forscher die Entwicklung hin zum dreifach gegliederten Amt und vom Monepiskopat hin zum monarchischen Episkopat für theologisch sinnvoll oder für einen Abfall vom ursprünglichen Evangelium Jesu hält, scheint in aller Regel kaum verhüllt durch alle philologischen und historischen Rekonstruktionen durch. Natürlich ist spätestens seit Gadamer und anderen Protagonisten der neuen hermeneutischen Philosophie seit dem Zweiten Weltkrieg klar, dass es bei solcher Kritik nicht darum gehen kann, das "Vorverständnis" eines Wissenschaftlers aus dem Prozess seiner Arbeit zu eliminieren, sondern nur darum, ein reflektiertes Verhältnis zu solchen Prä-1 Der vorliegende Beitrag ist bislang nur in einer französischen Übersetzung von Enrico Norelli erschienen (C.M., Époques de la Recherche sur le canon du Nouveau Testament en Allemagne: Quelques remarques provisoires, in: Le canon du Nouveau Testament. Regards nouveaux sur l'histoire de sa formation, sous la direction de G.