Zusammenfassung
Hintergrund Die handchirurgische Notfallversorgung konkurriert in der Dienstzeit mit anderen chirurgischen Fächern um die zur Verfügung stehende OP-Kapazität. Fachübergreifend existiert in vielen Kliniken eine einheitliche Notfallkategorisierung, die festlegt, innerhalb welcher Zeitfenster eine chirurgische Versorgung von Notfällen erfolgen muss. Allerdings gibt es in der handchirurgischen Literatur keine einheitlichen Daten/Empfehlungen darüber, mit welcher zeitlichen Versorgungsdringlichkeit bestimmte Verletzungsmuster aus medizinischer und forensischer Sicht versorgt werden sollten.
Ziel Die vorliegende Arbeit unternimmt den Versuch, die Versorgungssituation und den fachlichen Konsens bezüglich der Versorgungsdringlichkeiten in Deutschland mithilfe einer Online-Umfrage zu erfassen.
Material und Methoden Über den E-Mail-Verteiler der DGH wurde eine Online-Umfrage an alle Mitglieder zweimal im Abstand von mehreren Monaten versandt. Es erfolgte die standardisierte Abfrage von Art und Größe der Klinik bzw. Praxis sowie die Bitte um Einschätzung der zeitlichen Dringlichkeitsstufen für verschiedene handchirurgische Verletzungsmuster (sofort – innerhalb 2 h – innerhalb 6 h – innerhalb 12 h – innerhalb 24 h bzw. elektive Versorgung). Die anschließende Analyse und grafische Aufarbeitung erfolgten mittels Excel.
Ergebnisse Von rund 700 aktiven Mitgliedern beteiligten sich 172 (25 %) an der Umfrage. Vertreten sind Kollegen sowohl aus Universitätskliniken und BG-Kliniken als auch aus Schwerpunkthäusern und Kliniken der Grund- und Regelversorgung. 15 % sind in der Praxis tätig. An der Notfallversorgung partizipieren erwartungsgemäß hauptsächlich Häuser der Maximalversorgung, überwiegend mit eigener handchirurgischer Dienstbesetzung. 64 % der Häuser haben dabei eine fachübergreifende Notfallkategorisierung. Die Einschätzung der zeitlichen Versorgungsdringlichkeiten bei gefährdenden Verletzungen der Hand wie Amputationen und Kompartmentsyndrom ist insgesamt relativ einheitlich, bei nicht-gefährdenden Verletzungen wie Infekten oder Sehnendurchtrennungen hingegen sehr heterogen.
Schlussfolgerung Die Möglichkeit zur Versorgung handchirurgischer Notfälle hängt in erster Linie von den zur Verfügung stehenden Ressourcen und OP-Kapazitäten ab, die Einschätzung der Versorgungsdringlichkeit zusätzlich von Erfahrung und Schule. Um im Wettbewerb mit anderen chirurgischen Disziplinen um limitierte Ressourcen auf eine valide Argumentationsgrundlage zurückgreifen zu können, ist ein allgemeiner Konsens zu Versorgungsdringlichkeiten sinnvoll. Eine dazu valide Studiengrundlage fehlt allerdings bis heute.