ZusammenfassungIm vorliegenden Beitrag wird eine Rekonstruktion einer Gefährdungseinschätzung des zuständigen Jugendamts in einem Kinderschutzfall vorgestellt. Im Sinne einer Einzelfallstudie liefert der anonymisierte Fall „Isabelle“ zugleich Erkenntnisse über die zugrundeliegende Familiendynamik im Kontext von Kindeswohlgefährdung sowie die Hilfe- bzw. Schutzplanung des zuständigen Jugendamts. Innerhalb des diagnostischen Prozesses der Gefährdungseinschätzung und Hilfeplanung erhält die Familie die Stellung des Objekts ohne Beteiligungsmöglichkeiten. Die Gefährdungseinschätzung ist personenzentriert: die Mutter wird als Täterin identifiziert, ihre soziale Mutterschaft durch Schuld und fehlende Bereitschaft zur Wiedergutmachung dekonstruiert, sodass eine vollständige Delegitimierung der Mutter erfolgt. Es deutet sich an, dass die Autonomie der Familie ein Gefährdungsmoment für die jugendamtliche Hilfeplanung bildet, sodass familiale Autonomie in der Hilfeplanung strategisch außer Kraft gesetzt wird.