Zusammenfassung
Hintergrund Die obere Extremität und insbesondere die Hand sind für die
Interaktion des Menschen mit seiner Umwelt von entscheidender Bedeutung –
schwere Verletzungen oder Amputationen gehen daher mit einem erheblichen
Funktionsverlust einher und beeinträchtigen die Lebensqualität der Patienten
sehr. Wenn biologische Rekonstruktionsversuche nicht zu einem ausreichenden
Erfolg führen oder nicht möglich sind, kommt der bionischen Rekonstruktion eine
Schlüsselrolle in der Versorgung dieser Patienten zu. Konventionelle
myoelektrische Prothesen werden über zwei Signale gesteuert, die über
Oberflächenelektroden im Bereich der Stumpfmuskulatur abgeleitet werden.
Insbesondere bei hohen Amputationen ist die Prothesensteuerung dann nur sehr
eingeschränkt und umständlich möglich. Die Operationsmethode der Targeted Muscle
Reinnervation (TMR) bietet hier einen innovativen Lösungsansatz: Die großen
Armnerven, die durch Amputation ihre Zielorgane verloren haben, werden auf neue
Zielmuskeln im Bereich des Amputationsstumpfes transferiert. Dadurch können
kognitive Steuersignale etabliert werden, welche eine deutlich verbesserte
Prothesensteuerung ermöglichen.
Patienten/Material und Methoden Es erfolgte eine selektive
Literaturrecherche zum Thema TMR und bionische Rekonstruktion mit Aufarbeitung
und Diskussion relevanter Arbeiten, unter Berücksichtigung der klinischen
Erfahrungen unserer Forschungsgruppe. Zusätzlich wird ein klinischer
Patientenfall vorgestellt.
Ergebnisse Die bionische Rekonstruktion in Kombination mit TMR ermöglicht
eine intuitive Prothesensteuerung mit simultaner Bewegung verschiedener
prothetischer Freiheitsgrade und bietet zudem einen neuen Ansatz in der Therapie
von Neurom- und Phantomschmerzen. Langfristiger Erfolg erfordert ein hohes Maß
an Patientencompliance und intensives Signaltraining während der prothetischen
Rehabilitationsphase. Trotz technologischer Fortschritte bestehen weiterhin
Herausforderungen, insbesondere hinsichtlich der Signalüberleitung und der
sensiblen Integration bionischer Prothesen.
Schlussfolgerung Die Operationstechnik der TMR stellt einen bedeutenden
Fortschritt der prothetischen Versorgung von Amputierten dar. Durch selektive
Nerventransfers zur Signalmultiplikation und -amplifikation ermöglicht sie, das
Potential myoelektrischer Prothesen weiter auszuschöpfen und die Therapie dieser
speziellen Patientengruppe zu verbessern. Entwicklungen im Bereich der externen
Prothesenkomponenten, Verbesserungen der skelettalen Anbindung durch
Osseointegration und flüssigere Signalübertragung durch drahtlose, vollständig
implantierte Elektrodensysteme werden sowohl hinsichtlich der
Bewegungspräzision, als auch des Embodiments deutliche Fortschritte in der
bionischen Rekonstruktion ermöglichen.