Fünfzehn Jahre nach ihrer Entstehung ist die Neuroethik ein internationales wissenschaftliches Feld mit enormer Dynamik. Innerhalb weniger Jahre wurden eigene Kongresse, Zeitschriften, Forschungsförderprogramme, Fachgesellschaften und Institute gegründet. Gleichwohl besteht erheblicher Dissens über die Definition und den Gegenstandsbereich dieses neuen Gebiets. Wir argumentieren hier für eine differenzierte Konzeption, wonach neben der Reflexion ethischer Probleme der Neurowissenschaft und ihrer überwiegend neurotechnologischen Anwendungen auch die ethische Reflexion neurowissenschaftlicher Forschung zur Moralität zur Neuroethik gehört. Dies umfasst zwar nicht neurowissenschaftliche oder neuropsychologische Studien zur Moralität, wohl aber die Reflexion der Bedeutung dieser Forschung für die Ethik und das Recht. Wir geben einen Überblick über die wichtigsten Themen der Neuroethik, woraus deutlich wird, wie sehr in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen, auch jenseits von Medizin und Gesundheitswesen, neuroethische Fragen relevant sind. Das Potenzial der Neuroethik als eines neuen Wissenschaftsfeldes liegt darin, durch eine Verknüpfung neurophilosophischer und medizinethischer Themen sowie eine breite interdisziplinäre Vernetzung neue Antworten auf gesellschaftlich drängende Fragen zu finden.