Zusammenfassung
Der Beitrag untersucht empirisch die Bedeutung von Vorurteilsmotivationen für die Strafzumessung bei polizeilich als Hasskriminalität eingestuften Gewaltverbrechen vor und nach der Novellierung von § 46 Abs. 2 StGB im Jahr 2015. Seit der Novellierung werden rassistische und menschenverachtende Motive explizit als Strafzumessungsgründe benannt. Unsere Analyse von Daten des Projekts »Vorurteilsmotivierte Gewaltkriminalität in Nordrhein-Westfalen 2012 bis 2019« zeigt, dass Vorurteilsmotivationen nur in rund einem Fünftel der Urteilsschriften strafverschärfend berücksichtigt wurden – nach der Gesetzesnovellierung häufiger (23 %) als zuvor (14 %). Der Anstieg lässt sich statistisch auf Ermittlungsmaßnahmen der Polizei – insbesondere die Auswertung von Mobiltelefondaten – zurückführen, die bei den nach der Novellierung verurteilten Beschuldigten häufiger durchgeführt wurden als zuvor. Wenn Vorurteilsmotive als strafverschärfend anerkannt wurden, dann erhöhten diese das Strafmaß um ca. 50 %. Die strafverschärfende Wirkung von Vorurteilsmotiven war im betrachteten Zeitraum damit ebenso stark wie die einer brutalen Tatausführung und stärker als die anderer Strafzumessungsgründe.