Hintergrund: Akute Atemwegsinfektionen gehören zu den häufigsten
Ursachen für einen Arztbesuch. Die vorliegende Arbeit
untersucht die Behandlung akuter Atemwegsinfekte durch anthroposophisch
orientierte Ärzte unter besonderer Berücksichtigung
von Antibiotikaverordnungen, Komplikations- und Rezidivraten
sowie Rezeptkosten. Material und Methoden: In einem
Netzwerk von 35 Hausärzten in Deutschland wurden alle Verordnungsdaten
beginnend ab Mai 2004 über den Zeitraum
eines Jahres erfasst. Dazu wurden regelmäßig ärztliche Routinedaten
durch speziell entwickelte Schnittstellen aus Praxissystemen
ausgelesen. In standardisierten Web-Interfaces nahmen
die Ärzte ergänzend eine Verknüpfung von Medikamenten und
Diagnosen vor. Ergebnisse: Es wurden 21 818 Verordnungen
von 12 081 Patienten (73,7% Kinder) für 19 050 akute Infekte der
oberen Atemwege ausgewertet. Die häufigsten Diagnosen
waren grippale Infekte (63,3%) und akute Tonsillitiden (12,9%).
63,0% der Erkrankungen wurden rein komplementärmedizinisch
behandelt. Antibiotika wurden in 6,3% der Fälle verordnet
(Minimum: grippale Infekte: 1,9%, Maximum: Tonsillitis: 24,3%).
Prädiktive Faktoren für den Antibiotikaeinsatz waren neben den
Diagnosen Tonsillitis (Odds Ratio [OR]: 6,7; 95%-Konfidenzintervall
[KI]: 4,5-9,9) und Sinusitis (OR: 1,9; 95%-KI: 1,1-3,1) Begleiterkrankungen
(OR: 1,2; 95%-KI: 1,0-1,4), Komplikationen (OR:
7,2; 95%-KI: 5,5-9,4) und die Facharztausrichtung Pädiatrie (OR:
2,1; 95%-KI: 1,7-2,6). Die Nachverschreibungsrate von Antibiotika
für zunächst rein komplementärmedizinisch behandelte Patienten
war mit 0,7% gering, ebenso die Komplikationsrate
(2,9%) und die Folgekonsultationsrate (6,3%). Durchschnittlich
erkrankten die Patienten 2,4-mal pro Jahr an einer akuten Atemwegsinfektion
(Erwachsene: 1,7; Kinder: 2,7). Die Medikamentenkosten
von komplementärmedizinischen und Antibiotikarezepten
unterschieden sich nicht. Schlussfolgerung: Durch Aufbereitung
und Ergänzung ärztlicher Routinedaten konnte der
Verschreibungsalltag anthroposophischer Hausärzte abgebildet
werden. Bezüglich des Einsatzes von Antibiotika wurde eine
spezifische leitlinienkonforme Therapie durchgeführt. Die Antibiotikaverschreibungsrate
lag deutlich unter dem Bundesdurchschnitt.