Im Jahr 1959 zeigte Horner, daß metallierte Alkyldiphenylphosphanoxide mit Aldehyden oder Ketonen zu Alkenen reagieren. Mit dieser Reaktion hielt die Diphenylphosphorylgruppe Einzug in die organische Synthese. Die intensive Forschung in den seither vergangenen Jahren ergab, daß diese Olefinierung ‐ die Horner‐Wittig‐Reaktion ‐ einzigartige Eigenschaften aufweist, die sie zu mehr machen als nur einfach der Phosphanoxid‐Variante der bekannteren, auf Phosphorreagentien basierenden Olefinierungen ‐ der Wittig‐Reaktion (mit Phosphoniumsalzen) und der Wadsworth‐Emmons‐Reaktion (mit Phosphonsäureestern). Der Schwerpunkt der frühen Arbeiten zur Horner‐Wittig‐Reaktion lag auf der Reaktivität der Phosphanoxide und der Regioselektivität ihrer Umsetzungen; seit kurzem ist das Potential der Ph2PO‐Gruppe, die Konfiguration von Alkenen zu kontrollieren, um das jeweils gewünschte Stereoisomer mit hoher stereochemischer Reinheit zu erhalten, in den Vordergrund getreten. Aus den Untersuchungen dieser stereo‐kontrollierten Horner‐Wittig‐Reaktionen wuchs die Erkenntnis, daß mit der Ph2PO‐Gruppe nicht nur die zweidimensionale Konfiguration von Alkenen kontrolliert werden kann, sondern ganz allgemein dreidimensionale. Nach einer kurzen Einführung in die Chemie der Phosphanoxide werden wir uns hier mit der Horner‐Wittig‐Reaktion sowohl in ihrer ursprünglichen Form als auch mit “stereokontrollierenden” Varianten befassen. Anschließend werden wir über den stereoselektiven Aufbau von Molekülen berichten, die eine Ph2PO‐Gruppe enthalten, wobei die Schwerpunkte auf dem Einfluß der Ph2PO‐Gruppe auf den stereochemischen Verlauf der Reaktion sowie auf der Rolle der einzigartigen Kombination ihrer Eigenschaften ‐ sterischer Anspruch, Elektronegativität und Lewis‐Basizität ‐ bei der Kontrolle dieser Reaktionen liegen werden. Schließlich werden wir einen praktischen Ratgeber zu dieser Chemie präsentieren, in dem alle Arten von funktionalisierten Alkenen behandelt werden, die mit Hilfe der Ph2PO‐Gruppe hergestellt wurden, und allgemeine Richtlinien enthalten sind, die, wie wir hoffen, dem präparativ arbeitenden Chemiker helfen werden, das beste aus dem zu machen, was die Ph2PO‐Gruppe zu bieten hat.