Ein aus mechanistisch‐strukturtheoretischen Untersuchungen abgeleitetes Reaktionsschema für die in wäßrigen Medien ablaufende Hydrolyse des Vanadations VO43−wurde an Hand der potentiometrischen Meßdaten (z, log c OH −, CV(V)) für das Polyvanadatsystem von Ingri und Brito getestet. Dabei ergab sich eine Reduzierung der Standardabweichung von σZ = 0,0091 für den von diesen Autoren vorgeschlagenen Satz von Spezies auf σZ = 0,0071 bei einem durch die zufälligen Meßfehler bedingten Niveau von σZ = 0,0064 und ein wesentlich besser ausgeglichenes ΔZ,Z‐Diagramm. Damit zeigt sich uns erstmals ein geschlossenes und widerspruchsfreies, detailreiches Bild vom Polyvanadatsystem: Die monomeren, tetraedrischen Vanadationen aggregieren bei Protonierung zunächst zu aus eckenverknüpften VO4‐Tetraedern bestehenden Ketten, wobei hinsichtlich des Aggregationsgrades eine lückenlose Folge der Spezies auftritt, bis die Ketten sich zum Ring, und zwar hauptsächlich zum Tetramerenring, schließen können. Die treibenden Kräfte zur Aggregation sind die Kondensation von H2O‐Molekülen (ein Entropie‐Effekt) und die Ausbildung von π‐Bindungen in den VOV‐Brücken (Bindungsverstärkung), die beide in ringförmigen Aggregaten ein Maximum erreichen. Der kleinstmögliche Ring, der Trimerenring, tritt wegen ungünstiger (zu kleiner) Winkel in den VOV‐Brücken nicht auf, der Pentamerenring ist aus statistischen Gründen (Zusammenfinden der Kettenenden, Massenwirkungsgesetz u. a.) benachteiligt. Alle Spezies treten nach Maßgabe ihrer im wesentlichen durch die Ladungszahl und die Zahl an terminalen O‐Atomen festgelegten Basizität in unprotonierter, einfach‐ und zweifachprotonierter Form (Ketten) oder auch nur in unprotonierter Form (Ringe) auf. Bei stärkerer Protonierung erscheinen dann, wie schon länger bekannt ist, das V10O286−‐Ion und seine protonierten Formen sowie das VO2+‐Ion, in denen die V‐Atome oktaedrische Sauerstoffkoordination besitzen.