Der an der Freien Universität Berlin angesiedelte Sonderforschungsbereich 980 "Episteme in Bewegung. Wissenstransfer von der Alten Welt bis in die Frühe Neuzeit", der im Juli 2012 seine Arbeit aufgenommen hat, untersucht anhand exemplarischer Problemkomplexe aus europäischen und nicht-europäischen Kulturen Prozesse des Wissenswandels vor der Moderne. Dieses Programm zielt auf eine grundsätzliche Neuorientierung wissensgeschichtlicher Forschung im Bereich der Vormoderne ab. Sowohl in der modernen Forschung als auch in den historischen Selbstbeschreibungen der jeweiligen Kulturen wurde das Wissen der Vormoderne häufig als statisch und stabil, traditionsgebunden und auto ritätsabhängig beschrieben. Dabei waren die Stabilitätspostulate moderner Forscherinnen und Forscher nicht selten von der Dominanz wissensgeschichtlicher Szenarien wie dem Bruch oder der Revolution geprägt sowie von Periodisierungskonzepten, die explizit oder implizit einem Narrativ des Fortschritts verpflichtet waren. Vormodernen Kulturen wurde daher oft nur eine eingeschränkte Fähigkeit zum Wissenswandel und vor allem zur -nicht zuletzt histo rischen -Reflexion dieses Wandels zugeschrieben. Demgegenüber will dieser SFB zeigen, dass vormoderne Prozesse der Wissensbildung und -entwicklung von ständiger Bewegung und auch ständiger Reflexion geprägt sind, dass diese Bewegungen und Reflexionen aber eigenen Dynamiken unterworfen sind und in komplexeren Mustern verlaufen, als es eine traditionelle Wissensgeschichtsschreibung wahrhaben will.Um diese Prozesse des Wissenswandels fassen zu können, entwickelte der SFB 980 einen Begriff von ‚Episteme', der sich sowohl auf ‚Wissen' als auch ‚Wis sen schaft' bezieht und das Wissen als ‚Wissen von etwas' bestimmt, d. h. als mit einem Geltungsanspruch versehenes Wissen. Diese Geltungsansprüche werden aller dings nicht notwendigerweise auf dem Wege einer expliziten Reflexion erhoben, sondern sie konstituieren sich und werden auch reflektiert in Formen der Darstellung, durch bestimmte Institutionen, in besonderen Praktiken oder durch spezifische ästhetische oder performative Strategien.Zudem bedient sich der SFB 980 eines speziell konturierten TransferBegriffs, der im Kern eine Neukontextualisierung von Wissen meint. Transfer wird hier nicht als Transport-Kategorie verstanden, sondern vielmehr im Sinne komplex verflochtener Austauschprozesse, die selbst bei scheinbarem Stillstand iterativ in Bewegung bleiben. Gerade Handlungen, die darauf abzielen, einen erreichten VI Andrew James Johnson und Gyburg Uhlmann Wissensstand zu tradieren, zu kanonisieren, zu kodifizieren oder zu fixieren, tragen zum ständigen Wissenswandel bei.Gemeinsam mit dem Harrassowitz Verlag hat der SFB die Reihe "Episteme in Bewegung. Beiträge zu einer transdisziplinären Wissensgeschichte" ins Leben gerufen, um die Ergebnisse der Zusammenarbeit zu präsentieren und zugänglich zu machen. Die Bände, die hier erscheinen, werden das breite Spektrum der Disziplinen repräsentieren, die im SFB vertreten sind, von der Altorientalistik bis zur Mediävistik, ...