In der Frühen Neuzeit schufen Gespenster als Teil der alltäglichen Weltdeutung nicht nur religiösen, sondern vor allem auch sozialen Sinn. Wie Parish festhält, spiegeln sich in den Deutungen von und Handlungen mit Geistern stets die Bedürfnisse der Lebenden wider. 1 Lewis betont, wie selektiv sich die Deutung von Geistern in der alltäglichen Praxis darstellte: "It was […] to present a range of different opinions, methods and explanations from which people at all levels of society appear to have selectively embraced elements according to their use and relevance. " 2 Dies trifft nicht nur auf Totengeister, sondern auf Gespenster im Allgemeinen zu. Während im letzten Hauptkapitel die Frage im Zentrum stand, wie sich die Wahrnehmungen des Spuks darstellten, geht es nachfolgend um diskursive und multiperspektivische Erklärungsfindungen. Nicht das Wie, sondern das Was und Warum der Erscheinung stehen hier zur Diskussion: Handelte es sich bei Geistern um die Seelen von Verstorbenen oder etwa den Teufel? Aus welchen Gründen erschien ein Gespenst? Wer wurde dafür verantwortlich gemacht, dass es erschien? Und welche Folgen zog eine spezifische Deutung nach sich?Den Ausgangspunkt für die Beantwortung dieser Fragen bildet die Annahme, dass Spukphänomene wie jegliche menschliche Erfahrung stets in Sinnstiftungsprozesse eingebettet sind. Indem frühneuzeitliche Menschen aufgrund ihres Wissensvorrats bestimmte Vorkommnisse als Spukphänomen einordneten, galt es gleichzeitig auch zu klären, wer es verursachte bzw. aus welchem Grund sie von einem Gespenst heimgesucht wurden, und, in einem letzten Schritt, wie sie dem Phänomen begegnen sollten. Wie der Organisationstheoretiker Ralf Wetzel festhält, versteht sich Sinnstiftung als eine Verknüpfung mindestens zweier Elemente, mit dem Ziel einer Komplexitätsreduktion und Strukturierung der Alltagswelt: Die Kombination von mindestens zwei Elementen mit einer spezifischen Verknüpfung ist der Akt, den Menschen permanent vollbringen. Verknüpfen -also Sinnstiften -bedeutet Bezüge herzustellen. Menschliches Handeln und Denken erfolgt immer unter Bezug auf etwas. Beobachtung, Wahrnehmung, Handlung und auch Interpretation geschieht ständig in der Suche nach Bezügen, mittels derer Sinn hergestellt werden kann. 3