Zusammenfassung
Hintergrund Pro Jahr erkranken derzeit in Deutschland 959, in Österreich 67 Männer an einem Peniskarzinom, wobei es in der letzten Dekade zu einer Zunahme um etwa 20% kam [RKI 2021, Statcube.at 2023]. Trotz steigender Inzidenz bleiben die Fallzahlen je Klinik auf einem niedrigen Niveau. Die mediane jährliche Peniskarzinomfallzahl an Uniklinika der DACH-Region lag 2017 bei 7 Patienten (IQR 5–10) [E-PROPS-Gruppe 2021]. Die durch geringe Fallzahlen zwangsläufig kompromittierte institutionelle Expertise wird durch eine in mehreren Studien belegte unzureichende Adhärenz an Peniskarzinom-Leitlinien potenziert. Die z.B. in Großbritannien stringent umgesetzte Zentralisierung ermöglichte eine jeweils signifikante Zunahme organerhaltender Primärtumoroperationen und stadienadaptierter Lymphadenektomien sowie ein verbessertes Überleben der Patienten mit Peniskarzinom, sodass zunehmend auch in Deutschland und Österreich eine Zentralisierung gefordert wird. Ziel der hier vorliegenden Studie war eine aktuelle Erfassung fallzahlabhängiger Effekte auf peniskarzinombezogene Behandlungsangebote an Uniklinika in Deutschland und Österreich.
Material und Methoden Ein Fragebogen u.a. zu Fallzahlen für 2021 (stationär gesamt und Peniskarzinom), Behandlungsangeboten für Primärtumor und inguinale Lymphadenektomie (ILAE), zum Vorhalten einer Peniskarzinom-Hauptoperateur*in sowie zur fachlichen Verantwortung für die systemischen Therapien bei Peniskarzinom wurde im Januar 2023 an die Leitung von 48 urologischen Uniklinika in Deutschland und Österreich versandt. Fallzahlbezogene Zusammenhänge bzw. Unterschiede wurden unadjustiert statistisch geprüft.
Ergebnisse Die Rücklaufquote betrug 75% (n=36/48). Insgesamt wurden 2021 an den 36 antwortenden Uniklinika 626 Peniskarzinompatienten behandelt, entsprechend etwa 60% der in Deutschland und Österreich zu erwartenden Inzidenz. Die jährliche mediane Gesamtfallzahl lag bei 2807 (IQR 1937–3653), für das Peniskarzinom bei 13 (IQR 9–26). Es bestand keine signifikante Korrelation zwischen der stationären Gesamt- und der Peniskarzinomfallzahl (p=0,34). Die Anzahl der organerhaltenden Therapieverfahren für den Primarius, das Angebot moderner ILAE-Verfahren, das Vorhalten einer Hauptoperateur*in für das Peniskarzinom und die Verantwortung für die Durchführung der systemischen Therapien wurden weder durch die stationäre Gesamtfallzahl noch die Peniskarzinomfallzahl der behandelnden Kliniken signifikant beeinflusst – und zwar sowohl bei Dichotomisierung der Fallzahlen am Median als auch am oberen Quartil. Unterschiede zwischen Deutschland und Österreich konnten nicht gezeigt werden.
Schlussfolgerung Trotz einer deutlichen Zunahme der jährlichen Peniskarzinomfallzahl an Universitätskliniken in Deutschland und Österreich gegenüber den Daten von 2017 konnten wir keine fallzahlabhängigen Effekte auf die Strukturqualität hinsichtlich der Therapie des Peniskarzinoms feststellen. Wir werten dieses Ergebnis vor dem Hintergrund der erwiesenen Vorteile einer Zentralisierung als Argument für die Notwendigkeit der Etablierung überregional organisierter Peniskarzinomzentren mit im Vergleich zum Status quo nochmals deutlich höheren Fallzahlen.