Robert Michels ist durch seine Oligarchiethese für die politikwissenschaftliche und historische Literatur zu den Parteien über lange Zeit produktiv gewesen. Besonders sein "ehernes Gesetz der Oligarchie" stimulierte die Forschung. Es besagte, dass politische Organisationen, je länger sie existieren, umso mehr durch ein bürokratisch handelndes Fachpersonal auf Kosten der demokratischen Rückkopplung an die eigene Basis geführt werden. Soziologisch ging er davon aus, dass die Art und Weise der Organisation nicht nur ein Aggregationsvorgang ist, sondern dass die Organisation selbst "in der organisierten Masse schwerwiegende Veränderungen hervor(ruft). Sie kehrt das Verhältnis des Führers zur Masse in sein Gegenteil um." 1 Zu Beginn einer Organisationsbewegung ist, so Michels, das Verhältnis zwischen Masse und Führer noch ausgeglichen und beruht auf einer wechselseitigen Verschränkung und Durchdringung. Mit steigendem Organisations-und Differenzierungsgrad bilden Masse und Führer distinkte Strukturen aus. Die Masse wird zur Mehrheit und die Führer bilden die Minderheit. Das ursprüngliche Prinzip der demokratischen Legitimation wird umgekehrt und die Minderheit führt die Mehrheit. Somit gerät das demokratische Prinzip in eine "rückläufige Bewegung [...]. Mit zunehmender Organisation ist die Demokratie im Schwinden begriffen." 2 1911 fasste Michels diesen Gedanken so zusammen: "Wer Organisation sagt, sagt Tendenz zur Oligarchie." 3 Sein empirisches Beispiel war die deutsche Arbeiterbewegung vor 1914. Deren Organisationsstrukturen stellten für Michels den Beweis dafür dar, dass sich demokratische Strukturen in ihr Gegenteil verkehren konnten. Michels' Oligarchiethese richtete sich gegen seine politische Heimat, die deutsche Sozialdemokratie. Aus ihr kam denn auch, wie zu erwarten, Widerspruch. Sein erster Opponent war Eduard Bernstein. Bernstein bestritt nicht die allgemeinen parteiensoziologischen Tendenzen, die Michels benannte. Dass die SPD eine eigene Parteibürokratie ausgebildet hatte, lag für alle Beteiligten offen zutage. Eine Vielzahl von Parteisekretären und Literaten, Reichstagsabgeordneten und Parteiredakteuren, Verlegern, Druckereibesitzern und Kolporteuren stand für diese Entwicklung. 1904 arbeiteten 16 hauptamtliche Bezirkssekretäre, 329 Redakteure und Expedienten sowie 1.476 Arbeiter in den Druckereien und Verlagen für die Partei. Die politische Tagespresse war bis 1909 auf eine Auflage von rund 1 Million Exemplaren gestiegen. Die gewerkschaftliche Presse, die wöchentlich erschien, lag 1