Aktuelle Klassifikationssysteme für psychische Störungen wie das DSM-5 und ICD-11 stehen zunehmend in der Kritik, die Komplexität psychischer Probleme nicht adäquat abzubilden. Ungünstig sind insbesondere die implizite Orientierung am medizinischen Krankheitsmodell, die mangelnde strukturelle Validität sowie die kategoriale Abgrenzung zu psychischer Gesundheit. Als Antwort auf diese Herausforderungen wird aktuell im Rahmen eines Konsortiums eine Hierarchische Taxonomie der Psychopathologie (HiTOP) entwickelt – ein empirisch fundiertes, hierarchisch organisiertes, und dimensionales Modell zur Beschreibung psychischer Probleme. In diesem Artikel wird das HiTOP-Modell erstmals in umfassender Weise für den deutschsprachigen Raum zugänglich gemacht. Nach einer Kritik an aktuellen Klassifikationssystemen erläutern wir zunächst die methodischen Grundprinzien von HiTOP und stellen das aktuell gültige Modell vor. Anschließend berichten wird von neuen Studien und Überlegungen zur Validierung und Weiterentwicklung des Modells, geben einen Einblick in die Entwicklung eines umfassenden Selbsteinschätzungsfragebogens zur Erfassung der HiTOP-Dimensionen und veranschaulichen den Einsatz von HiTOP in der diagnostischen Praxis. In der Diskussion klären wir Bezüge zu alternativen Ansätzen zur Konzeptualisierung psychischer Störungen, arbeiten die Implikationen von HiTOP für zukünftige Forschung und Praxis heraus und thematisieren Forschungslücken und Limitationen.