Bei der Suche nach therapeutischen Strategien zur Behandlung von schwerstverletzten oder -erkrankten Patienten gab es bereits viele Misserfolge; unsere Erwartungen an randomisierte prospektive Studien sind häufig enttäuscht worden [1]. Andererseits haben sich erstaunlicherweise nichtbewiesene Interventionen in klinischen Richtlinien sehr lange gehalten: Atropin und Natriumbikarbonat wurden zur routinemäßigen Therapie bei der kardiopulmonalen Reanimation ("cardiopulmonary resuscitation", CPR) über Jahrzehnte empfohlen. Erst bei der Erstellung der aktuellen CPR-Leitlinien 2010 wurden die vorliegenden Beweise als unzureichend erkannt, und es wurde für diese beiden Medikamente keine generelle Empfehlung mehr bei der CPR ausgesprochen [21]. Die endobronchiale Applikation von Adrenalin bei der CPR wurde aufgrund der einfachen und schnellen Handhabung zunächst als vorteilhaft beschrieben [18], aber nun ebenfalls aufgegeben, weil die Pharmakodynamik nicht kalkulierbar ist und mit der wiederentdeckten i.o.-Injektion durch neue Applikationsgeräte eine einfache und schnelle Alternative bereitsteht [15].Ähnlich widersprüchliche Erkenntnisse aus randomisierten prospektiven klinischen Studien kennt auch die Intensivmedizin: Nachdem aktiviertes Protein C zunächst enthusiastisch zur Therapie der Sepsis empfohlen wurde, zeigten weitere Studien einen erhöhten Anteil von zerebralen Blutungen, und das Medikament verschwand wieder [5]. Auch die intensivierte Einstellung der Blutzuckerkonzentration auf Intensivstationen erschien ein ganzes Jahrzehnt lang wesentlich erfolgversprechender [20], als in späteren Studien belegt werden konnte -die nächs-te Therapiestrategie wurde daraufhin relativiert [10]. Die Injektion von rekombinantem Faktor VIIa im schwersten hä-morrhagischen Schock erschien in Einzelfällen sehr erfolgreich, wird aber nun aufgrund von thrombembolischen Komplikationen zurückhaltender gesehen [13, 22]. Bei einem weiteren Medikament ist derzeit unklar, wohin die Reise geht: Hydroxyäthylstärke ("hydroxyethyl starch", HES) wird nach jahrzehntelangem Einsatz bei intensivmedizinischen Patienten kritisch bewertet [17].Die Frage, ob Ergebnisse randomisierter prospektiver klinischer Studien direkt in die klinische Praxis übernommen werden können, ist oft schwierig zu beantworten, da Details des Studienprotokolls, der Studiendurchführung und Ergebnispräsentation sich mitunter nur sehr erfahrenen Wissenschaftlern und Biostatistikern erschließen und nicht immer den Abläufen im klinischen Alltag entsprechen. Zum geringen Effekt von Tamiflu bei Grippesymptomen [9] schrieben die Herausgeber des British Medical Journal, dass das derzeitige wissenschaftliche System nicht (mehr) in der Lage ist, die Bedeutung von klinischen Studien unabhängig zu bewerten; im Originalzitat: "The current system is broken" [14]. Schon aus dieser Auflistung wird klardie Entwicklung von neuen Therapiestrategien in unserem Fachgebiet allein anhand von prospektiven randomisierten klinischen Studien ist schwierig sowie leider reich an Misserfolgen und Widersprü...