Alle drei Kardinalsymptome der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) beschreiben die mangelnde Verhaltenswirksamkeit vorausgehender Umweltreize. Daher benötigen betroffene Kinder mehr und nachdrücklichere Verhaltenshinweise der sozialen Umwelt und erhöhen elterliches Stresserleben. Zwar manifestieren sich Selbststeuerungsdefizite und Elternstress situations- bzw. anforderungsabhängig mit intra-individueller Variabilität. Gängige Maße von Verhaltensauffälligkeit und Elternstress zielen aber auf generalisierte Eindrücke. <b><i>Forschungsrationale:</i></b> Zur Erfassung intra-individueller Auffälligkeits- und Belastungsunterschiede liegt ein Familiensituationsinventar mit Ratingskalen vor. Es handelt sich um eine deutschsprachige und eng am Original ausgerichtete Adaptation des Home Situation Questionnaire (HSQ) mit ergänzter Elternbelastungsskala. Aus der untersuchungsbedürftigen Frage nach faktorieller Validität ergibt sich das Forschungsrationale für eine explorative Faktorenanalyse. <b><i>Methode:</i></b> In der Gesamtstichprobe waren Eltern von Kindern mit (m. = 204, w. = 33; Mittelwert = 8,6 J.) und ohne gesicherte ADHS (m. = 206, w.= 155; Mittelwert = 7,6 J.) eingeschlossen. Sie sollten 16 Familiensituationen auf das Ausmaß kindlicher Verhaltensauffälligkeiten und ihrer damit verbundenen Belastung hin beurteilen. In der klinischen Stichprobe wurde die externe Validität der ermittelten Faktorenstruktur korrelationsanalytisch anhand dreier etablierter Skalen überprüft. <b><i>Ergebnisse:</i></b> Beide HSQ-Skalen teilen eine Zweifaktorenstruktur mit zufriedenstellender Varianzaufklärung (56,02–60,38%) und akzeptabler externer und diskriminanter Validität. „Häusliche Aufgabenerledigung“ (Faktor 2) unterscheidet stärker als „soziales Auftreten“ (Faktor 1) zwischen Kindern mit und ohne ADHS. <b><i>Diskussion:</i></b> „Häusliche Aufgabenerledigung“ beinhaltet Verhalten in regelmäßig wiederkehrenden Familiensituationen und erfordert Regel- bzw. Instruktionsbefolgung. Mit ADHS diagnostizierte Kinder befolgen geltende Regeln selten von sich aus (beispielsweise mit Selbstinstruktionen). Bei der mit Verhaltensauffälligkeiten assoziierten Elternbelastung in Familiensituationen handelt es sich daher eher um Regulation Load statt Mental Load.