Hintergrund Nackenschmerzen gehören zu den häufigsten muskuloskelettalen Erkrankungen des physiotherapeutischen Behandlungsspektrums. Für ein angemessenes Management, v. a. bezüglich der Prognostik und Erfassung zentraler Schmerzprozesse, ist die Beurteilung sensorischer Veränderungen unerlässlich. Bisher ist die Quantitative Sensorische Testung (QST) die einzige Methode, die eine umfassende Bewertung veränderter Sensorik ermöglicht. Es handelt sich dabei jedoch um ein kosten- und zeitaufwendiges Verfahren. Daher besteht Bedarf an einer einfach zu handhabenden und kostengünstigen Alternative.
Ziel Untersuchung der Validität und Reliabilität der Bedside-sensorischen-Testung (BST) bei Menschen mit Nackenschmerzen.
Methode Es handelt sich um ein systematisches Review im Rahmen einer Bachelorarbeit an der Hochschule für Gesundheit Bochum. Die Berichterstattung folgte den Empfehlungen der PRISMA-2020-Checkliste. Im Oktober 2022 wurden die Datenbanken Embase (Ovid), Medline (PubMed), CINAHL (EBSCO), Web of Science und CENTRAL nach Studien durchsucht, die verschiedene BST-Verfahren mit der QST vergleichen. Die methodische Qualität der Studien wurde anhand der COSMIN-Risk-of-Bias-Checkliste bewertet.
Ergebnisse Es wurden 3 Studien mit 286 Patient*innen und 71 Kontrollpersonen einbezogen. Die Hauptergebnisse betrafen die Kriteriumsvalidität der Druckschmerzschwellen (manuelle Druckapplikation: ρ = –0,1 bis –0,37 und φ = 0,11; Stift-Ende: φ = 0,31), Kältedetektionsschwellen (Eisapplikation: ρ = 0,32–0,42; Münze: φ = 0,42) und Kälteschmerzschwellen (Eisapplikation: φ = –0,1; ρ = 0,64–0,65) sowie die Interrater-Reliabilität und die Test-Retest-Reliabilität der Druckschmerzschwellen (ICC = 0,87–0,89 und ICC = 0,75–0,85 für Messprotokolle mit 1–3 Messwiederholungen). Es wurden keine Ergebnisse bzgl. des Messfehlers und der Konstruktvalidität berichtet. Die methodische Qualität der eingeschlossenen Studien reichte von zweifelhaft bis sehr gut. Die Ergebnisse der Studien weisen eine konsistente Qualität der Testgütekriterien sowie eine positive Bewertung der Reliabilität der BST auf. Dennoch zeigt die BST keine mit der QST vergleichbaren Testgütekriterien.
Schlussfolgerung Gemäß der aktuellen Studienlage kann die BST nicht als gleichwertiges Äquivalent der QST angesehen werden. Es besteht die Notwendigkeit, standardisierte BST-Protokolle zu erstellen und deren Testgütekriterien, insbesondere den Messfehler, zu untersuchen.