ZusammenfassungDer Beitrag geht der Frage nach, wie sich die COVID-19-Pandemie auf Körperpraktiken des Alltags und damit auch auf das Welt- und Selbstverhältnis junger Menschen auswirkt. Dabei steht implizites, in Alltagshandlungen eingespeistes Körperwissen im Zentrum der Betrachtung. Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass die Pandemie als Krisenerfahrung zu einem Konflikt im Prozess des Erinnerns als gegeben vorausgesetzter Praktiken führt. Wir gehen davon aus, dass die Pandemie das non-deklarative Gedächtnis mit Passungsdefiziten konfrontiert und somit zur Explikation und Reflexion des Gewohnten als „taken for granted“ im Erinnerungsprozess führt. Erinnert wird ein Soll-Zustand im Abgleich mit dem gegenwärtig-situativen Ist-Zustand, der leiblich-affektiv bzw. atmosphärisch als Bruch oder Entfremdung erfahren wird. Zentral sind dabei sowohl der individuelle, erinnernde Leib als auch die kollektiv-praktische „Verstrickung von Körpern“. Mit theoretischen Bezügen zur exzentrischen Positionalität (Plessner 1982), zur Resonanztheorie (Rosa 2016) und zur neuen Phänomenologie (Schmitz 1965) gehen wir anhand unseres empirischen Materials aus zwei explorativen Studien (Frankfurt am Main, Hildesheim) darauf ein, inwiefern das, was vormals als kollektiv geteilte Norm und Normalität galt, auch körperlich-performativ hinterfragt und im Prozess des Erinnerns neu ausgehandelt werden muss. Narrative wie „die Stunde Null“ bilden semantisch eine Auseinandersetzung mit der konflikt- und problemhaft gewordenen Alltagsrealität ab, in der Körperlichkeit eine kollektive Irritation erfährt – nicht nur im „Denken wie üblich“, sondern auch im „Sein wie üblich“ (Schütz 1971).