ZusammenfassungDer Fall des Fußballschiedsrichters verweist die Bewertungssoziologie auf Praktiken des Entscheidens. Unter Bedingungen körperlicher Anwesenheit und der Konfliktlage des sportlichen Wettkampfs muss der Schiedsrichter ständig Spielsituationen bewerten und auf Bewertungskommunikation von Spielsituationen durch Spieler („Reklamationen“, usw.) eingehen. Immer wieder entstehen so „strittige Situationen“. Diese verwickeln ihn in einen Entscheidungszwang: Pfeifen oder Nicht-Pfeifen wird ihm dann in bestimmten Spielsequenzen gleichermaßen als Entscheidung zugerechnet. Eine solche Entscheidung zieht im Fußball bekanntermaßen ihrerseits spielöffentliche (mitunter hoch aggressive) Bewertungskommunikation in Form von Beschwerden nach sich. Auf Basis einer qualitativen Studie (Interviews und Dokumentenanalyse) untersucht der Beitrag daher, wie die schiedsrichterliche Praktik des Pfeifens Entscheidungs- und Bewertungspraktiken verknüpft, und wie die situativen Bedingungen des Fußballspiels diese Praktiken körperlich und dramaturgisch formatieren. Der Beitrag knüpft an jüngere Debatten in der Bewertungssoziologie an, die nach der Verknüpfung von dispersed practices fragen (Bewerten, Vergleichen, Kategorisieren usw.) und ergänzt diese durch ein Augenmerk auf eine spezifische Praktik des Entscheidens.