Übersicht 83 Essstörungen präoperativ ! Die Binge−Eating−Störung (BES) ist die häufigste Essstörung, die bei Patienten vor Adipositaschi− rurgie diagnostiziert werden kann. Die Prävalenz liegt in der Allgemeinbevölkerung bei 2±5 %, wo− bei beide Geschlechter etwa gleich häufig betrof− fen zu sein scheinen. Bei adipösen Patienten vor Operation liegt die Häufigkeit mit etwa 15±30 % deutlich höher [1]. Die BES ist definiert als das re− gelmäßige Auftreten von Essanfällen (ähnlich der Bulimia nervosa) mit dem Gefühl des Kontroll− verlusts über das Essverhalten jedoch ohne regel− mäßige kompensatorische Maßnahmen (z. B. Er− brechen) [2]. Während der Essanfälle ist die Ess− geschwindigkeit erhöht, es wird ohne Hunger ge− gessen, bis ein unangenehmes Völlegefühl ent− steht. Aus Verlegenheit wird alleine gegessen und die Essanfälle sind von Schuldgefühlen ge− folgt. Die Patienten berichten einen deutlichen Leidensdruck aufgrund der Essanfälle. Adipöse Menschen mit einer BES haben im Vergleich zu nicht essgestörten Adipösen eine größere Komor− bidität mit anderen psychischen Störungen, ins− Zusammenfassung ! Fragestellung In der klinischen Praxis stellt sich immer wieder die Frage, ob Essverhaltensstörun− gen vor chirurgischer Adipositastherapie eine Kontraindikation für ein operatives Vorgehen zur Gewichtsreduktion darstellen. Ergebnisse Obwohl die Studienlage eindeutig zeigt, dass Essverhaltensstörungen wie die Bin− ge−Eating−Störung (BES), das ¹sweet eating" oder das nächtliche Essen bei präoperativen Patientin− nen und Patienten mit Adipositas Grad III häufig auftreten, scheinen sie keinen robusten Prädiktor für einen schlechteren postoperativen Gewichts− verlauf darzustellen. Schlussfolgerung Unwissen über die vorliegen− den empirischen Befunde führen in der Begut− achtungs− und Versorgungspraxis jedoch immer wieder zu Empfehlungen, die empirisch unzurei− chend oder gar nicht belegt sind und den Betrof− fenen nicht ausreichend gerecht werden. Es gibt mittlerweile genügend empirische Evidenz, dass psychische Störungen, einschließlich der BES und des sogenannten ¹sweet eating" einen gerin− geren negativen Einfluss auf den postoperativen Verlauf sowohl betreffend Gewicht wie auch der psychischen Störung bzw. Essstörung selbst ha− ben als ursprünglich vermutet. Abstract !