Der Beitrag widmet sich der Frage, welche psychosoziale Rolle die Bezüge zu „1989“, die damit verwobenen apokalyptischen Narrative und Verschwörungsideen auf den Corona- und den nachfolgenden Protesten spielen. Grundlage bildet eine tiefenhermeneutische Fallanalyse. Es zeigt sich, dass die kollektiven Narrative auf den ostsächsischen Protesten einerseits ermöglichen, Aggression kompromisshaft auszuagieren und andererseits dazu beitragen, Ohnmacht, Schwäche und Schuldgefühle abzuwehren. Dass das ideologische Angebot, die Ereignisse um den Gesellschaftszusammenbruch wieder dauerhaft in die Gegenwart zu holen, auf derart fruchtbaren Boden stößt, wird mit der jüngeren deutschdeutschen Geschichte als ambivalenten Erfahrungsraum in Verbindung gebracht. Während über das Geschehen gesprochen werden kann, ist die emotionale Relevanz sowohl gesellschaftlich als auch individuell unzureichend verarbeitet.