ZusammenfassungEthnomedizin und die zugehörigen Forschungsdisziplinen Ethnobotanik und
Ethnopharmakologie beschäftigen sich mit den Medizinsystemen fremder
Kulturen und den ihnen zugrundeliegenden Denksystemen. Solche Forschungen sind
sowohl aus anthropologischer und kulturwissenschaftlicher Sicht interessant als
auch als mögliche Fundquellen für neue Arzneimittelwirkstoffe.
Tatsächlich gibt es bereits eine Reihe erfolgreicher Adaptionen
tradierter Wirkprinzipien in die Medizin westlicher Prägung; teilweise
werden diese Wirkprinzipien gemäß der ursprünglichen
indigenen Verwendung eingesetzt, teilweise bildeten sie den Ausgangspunkt
für weitere Entwicklungen hin zu Monosubstanzen, chemisch-synthetischen
Derivaten oder auch zu neuen Indikationen. In manchen Ländern bestehen
die traditionellen Medizinsysteme parallel zu westlichen, in anderen bilden sie
die einzige zur Verfügung stehende Form der Gesundheitsversorgung. Bei
der Beschäftigung mit traditionellen Medizinsystemen sind viele
Vorsichtsmaßnahmen und Randbedingungen zu beachten; wichtig ist daher
vor allem die Erkenntnis, dass sie bei allen kulturell bedingten Unterschieden
doch auf einem großen medizinischen Erfahrungsschatz beruhen und
wertvolle Anregungen geben können. Der Beitrag erläutert den
erkenntnistheoretischen Hintergrund, gibt einen Überblick über
die wichtigsten traditionellen Medizinsysteme und zeigt einige praktische
Nutzanwendungen.