Zusammenfassung: Die Studie testet die Hypothese, dass die zunehmende Verbreitung von Freizeitkonsumangeboten zu einer Veränderung der sozialen Routineaktivitäten von Individuen und damit zu einer Reduktion der Kirchganghäufigkeiten führt. Die Argumentation folgt Emile Durkheim, der Religion als eminent soziale Angelegenheit versteht. Demnach stellt die Religion Symbole, Riten und Glaubenssätze bereit, die die Individuen zum sozialen Handeln bringen. Indem der Markt durch seine vielfältigen Angebote an soziokulturell kodierten Produkten, Dienstleistungen und Infrastrukturen (Trendsportarten, Bars, Urlaubsressorts, Freizeitparks, Shopping Malls, Museen) ähnliche Funktionen erfüllt, d.h. die soziale Praxis anleitet -, verdrängt er die traditionelle Religion als zentrale Instanz der Vermittlung sozialer Beziehungen. Diese Hypothese wird auf Grundlage der Daten des Sozio-oekonomischen Panels anhand einer Stichprobe junger Katholiken geprüft. Die Analysen werden mit Hilfe von bivariaten und Multilevel-Verfahren durchgeführt. Sie zeigen, dass mit dem Einkommenszuwachs die Involvierung der Befragten in verschiedene konsumbezogene Freizeitaktivitäten signifikant ansteigt, wohingegen im gleichen Zeitraum die Häufigkeit des Besuchs eines Gottesdienstes und anderer religiöser Veranstaltungen deutlich abnimmt.
EinleitungEin Blick in die Marketing-Literatur neueren Datums muss für klassisch geschulte Ökonomen und ökonomisch geschulte Soziologen ernüchternd sein. Statt der erwarteten harten Kriterien zur Einstufung des Kaufverhaltens von Akteuren auf Märkten findet man explizite und implizite Zeichen soziologisch-kultureller ‚Verwässerung'. Während sich Soziologen gerne an die aus der Ökonomie übernommenen Modelle rationaler Akteure halten, scheinen die Wirtschaftswissenschaften sich von diesen Ansätzen zu verabschieden. Statt von Grenznutzen und rationalen Entscheidungen bei der Wahl von Produktalternativen ist hier die Rede davon, "dass der Konsument zwar sehr wohl rational handelt, in seinem Handeln aber auch von emotionalen und sozialen Komponenten beeinflusst wird, die die Rationalität überwiegen können" (Kloss 2000: 50). Bei Thorsten Möll, einem Vertreter des Ansatzes des Neuromarketings, steht das Verhalten der Akteure auf Märkten sogar "im klaren Widerspruch zu der klassischen Wirtschaftstheorie, die den Mensch als ‚Homo Oeconomicus' sieht". Er folgert deshalb, dass sich "[d]er Homo Oeconomicus […] als Fiktion der klassischen Wirtschaftstheorie [erweist]" (Möll 2007: 3 f). Wie weit sich das Marketing beim Versuch Waren auf gesättigten Märkten abzusetzen von den klassischen Ansätzen der Ökonomie entfernt hat, erkennt man jedoch erst bei Martin Lindstrom. In seinem Bestseller "Buy-ology" argumentiert er, dass "ganz offensichtlich ein Zusammenhang zwischen Spiritualität und Branding [besteht]" (2008: 115) und schließt aus Untersuchungen, bei denen die Hirnströme von Konsumenten während der Betrachtung von Produktabbildungen mittels Neuroscannern analysiert wurden, dass "diejenigen Produkte am erfolgreichsten sind, die am...