Föderalismus und Wohlfahrtsstaat in Kanada haben sich stets wechselseitig beeinflusst. Das Entwicklungsmuster folgte dabei allerdings nie einem einzigen, im Zuge der Staatsgründung 1867 institutionell verankerten Pfad. Es wurde vielmehr von zwei widerstreitenden Logiken bestimmt, die unter sich verändernden Kontextbedingungen auf unterschiedliche Weise zum Ausdruck kamen: einer pankanadischen sowie einer provinzbasierten Konzeption von Wohlfahrtsstaatlichkeit. Der interstaatliche Föderalismus ermöglichte es Bund und Provinzen in erster Linie auf der Basis freiwilliger Verhandlungen oder aber unilateral sozialstaatliche Programme einzuführen und weiterzuentwickeln. Gegenstand von Reformen waren dabei nicht nur die sozialstaatlichen Programme selbst; vergleichsweise häufig zielten sie darüber hinaus auch auf eine Veränderung des institutionellen Rahmens, in den diese eingebettet sind. Institutionelle Elemente wie die Erstbesetzung wohlfahrtsstaatlicher Politikbereiche durch die Provinzen, die "spending power" des Bundes sowie der Steuerdualismus haben eine Entwicklungsdynamik begünstigt, die sich kaum mit einer engen Konzeption von Pfadabhängigkeit angemessen verstehen und erklären lässt.