In dem Moment, als die burgundische Werbegesellschaft mit Günther, Hagen, Dankwart und Siegfried im Land der Königin Brunhild auftaucht und sich diese sogleich auf die Begegnung mit Siegfried (!), also nicht mit Günther, dem eigentlichen Werber, vorbereitet, nimmt das bis dahin recht harmlos verlaufene Heldenlied eine entscheidende Wendung zum Tragischen hin. Erst hier treten geschichtsträchtige Momente auf, die den Helden ihre freie Entscheidungsmög-lichkeit nehmen und sie in den Mahlstrom eines unabänderlich zum Abgrund hin treibenden Schicksals werfen. Der Untergang der Burgunder ist mit dieser Fahrt in den Norden besiegelt, selbst wenn sich der (oder die) Dichter 1 umfangreich Zeit läßt, um die Handlung auf das Zentrum des alles vernichtenden Stromes hinzuführen.Sobald Brünhild von der Ankunft der Gäste, insbesondere aber von der Siegfrieds benachrichtigt worden ist, befiehlt sie ihren Leuten, ihr beim Ankleiden zu helfen und läßt dabei die ominösen Worte fallen: unt ist der starke Sif rit körnen in diz lant durch willen miner minne, ez gät im an den lip ich fürhte in niht so sere daz ich werde sin wip (416,(2)(3)(4)). 2 In der Tat soll sich nur Siegfried als der ihr angemessene »Gegner« und Liebespartner erweisen, da sich ihr sonst kein Mann aus der Welt der Burgunden entgegenstellen könnte, noch nicht einmal der übermächtige Hagen. Wer ist diese Brünhild ? Welche Sicht von ihr als Frau und von der Frauenwelt im Mittelalter allgemein gewinnen wir, wenn wir ihre Person einer genau-1 Cf. Willy Krogmann: Der Dichter des Nibelungenliedes (Philologische Studien und Quellen ll). Brought to you by | provisional account Unauthenticated Download Date | 6/26/15 4:36 PM übrig als verächtliche Worte, sei sie doch von einer »grobschlächtigen Schön-heit« (Gottfried Weber), »a creature of monstrous strength« (W. A. Mueller), »unheroisch, unritterlich, unköniglich« (H. Schneider), 4 ja eine »Walkürenna-tur«, 5 vor der es sich zu hüten gilt. Etwas verächtlich spricht Walter Haug von Brünhild als »Gewaltweib auf Isenstein«, die sich burlesk-phantastische Bedingungen ausgedacht habe, um den Kampf um ihre eigene Verheiratung möglichst dramatisch durchzuführen. 6 Hugo Bekker behauptet jedoch ganz zu Recht, daß wir in Brünhild eine »selfconfident figure« zu sehen hätten, »whose self-assurance issues from her innate awarenes that she is all queen«. 7 Winder McConnell entdeckt dagegen in ihr eine Charaktergestalt, die zum einen von Hybris getragen sei, zum anderen aber außerordentlich dämonische Züge aufweise: »Brunhild's habit of killing unsuccessful aspirants, an act inherently demonic in its nature, stamps her as a figure of the Other World«. 8 Eine interessante und weithin beachtete Feststellung traf dagegen Bert Nagel, als er in Brünhild die Reprä-sentantin der vorhöfischen Welt zu entdecken meinte, die »das neue höfische Konzept störte [...]. Diese als athletisch gekennzeichnete Frau war nichts weniger als höfisch, aber auch mehr derb als heroisch, letztlich wohl überhaupt eine Märchengestalt«. 9 Ob aber der Nibelungenlied-D...