In einer gesteigerten Form der Memento-mori-Dichtung des Barock wurde die menschliche Sterblichkeit durch den Einsatz performativer Strategien für die Zeitgenoss*innen bereits zu Lebzeiten erfahrbar. So waren mahnende und tröstende Tote, die scheinbar direkt aus dem Jenseits zu den Lebenden sprechen, in Begräbnisgedichten und Grabinschriften allgegenwärtig. Ebenso waren Gedichte und Sterbelieder verbreitet, in denen der Sterbeakt performativ durchlebt werden konnte. In der Gegenwart, die sich nach Norbert Elias durch eine Verdrängung der menschlichen Vergänglichkeit zugunsten von Unsterblichkeitsphantasien, und somit einer Vermeidung von Erfahrungen mit der Vergänglichkeit, auszeichnet, gestalten einige deutschsprachige Lyriker*innen moderne Variationen dieses gesteigerten memento mori. In den untersuchten Gedichten von Özlem Özgül Dündar und Günter Kunert werden durch performative Verfahren Konfrontationen mit der eigenen Endlichkeit inszeniert, welche als moderne, säkulare Vergänglichkeitsmahnungen verstanden werden können.