Das Ribosom ist die universelle molekulare Maschine zur Synthese von Proteinen in lebenden Zellen. Jede Escherichiacoli-Zelle enthält ca. 30 000 Ribosomen. Eubakterielle Ribosomen bestehen aus zwei Hauptkomponenten, die jeweils aus Proteinen und RNAs in einer komplizierten Anordnung zusammengesetzt sind und aus insgesamt ungefähr 270 000 Atomen bestehen. In Prokaryoten besteht die kleinere Komponente (die 30S-Untereinheit) aus der 16S-RNA und 21 Proteinen, während die groûe Komponente (die 50S-Untereinheit) aus zwei RNAs, der 5S-RNA und der 23S-RNA, und 33 Proteinen aufgebaut ist. [1] Funktionell betrachtet dient die kleinere Untereinheit der Erkennung der Boten-RNAs (messenger RNAs, mRNAs) und Transfer-RNAs (tRNAs), dagegen ist die groûe Untereinheit das Zentrum der eigentlichen Proteinbiosynthese. Ein prokaryotisches Ribosom misst circa 200 in beiden Richtungen; dies entspricht der komprimierten Packung von ungefähr 16 Nucleosomen, den fundamentalen Bestandteilen des Chromatins. In letzter Zeit wurden Kristallstrukturen von beiden prokaryotischen Ribosomenuntereinheiten [2±4] und vom gesamten prokaryotischen Ribosom (der 70S-Partikel) veröffentlicht. [5] Die Auflösung der Strukturen ist bisher recht gering (4.5 ± 7.8 ; Tabelle 1), aber die Aussichten für eine schnelle Verbesserung der Auflösung sind realistisch.Wie bei allen groûen Anstrengungen in den Naturwissenschaften war die Suche nach Strukturinformationen über das Ribosom ereignisreich. Dies sollte junge, ehrgeizige Wissenschaftler begeistern, und das gerade in Zeiten, in denen die Naturwissenschaften von Studenten gemieden werden. Die Strukturen, die wir derzeit bewundern können, wurden in Laboratorien von Wissenschaftlern geklärt, die an der Untersuchung der Ribosomen bereits seit Jahrzehnten beteiligt sind. Ada Yonath vom Weizmann Institute in Rehovot, Israel, begann als Erste Anfang der achtziger Jahre mit der enthusiastischen Unterstützung von H. G. Wittmann am Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik in Berlin. Ada Yonath hielt, offener Skepis trotzend, all die Jahre durch. [6] Laufend verbesserte sie die Qualität der Kristalle, indem sie die Ribosomen aus halophilen und thermophilen Bakterien isolierte und ständig technische Fortschritte in der Röntgenstrukturanalyse nutzte. Zu nennen wären hier die Anwendung der Kryokristallographie, um Strahlungsschäden zu verhindern, [7] und der Synchrotronstrahlung, um die geringe Streukraft der Kristalle auszugleichen. Ihre Arbeitsgruppe hat nun die Struktur der 30S-Untereinheit bei einer Auflösung von 4.5 veröffentlicht. [2] In der Zwischenzeit aber hatte sie so erfolgreich andere Kristallographen von der Durchführbarkeit des Projektes überzeugt, dass andere Arbeitsgruppen sich der Thematik zuwandten und sich nicht mehr länger nur mit der Untersuchung von einzelnen ribosomalen Bestandteilen beschäftigten. Peter Moore von der Yale University hatte mit Neutronenstreuung die relativen Positionen von Proteinen der 30S-Untereinheit bestimmt. [8,9] Hierfür war über ein Jahrzehnt gezielter Arbeit erforderlich, d...