ZusammenfassungIm internationalen Diskurs sind feministische Perspektiven auf die Medizinethik bereits etabliert. Demgegenüber scheinen diese bislang nur vereinzelt in den deutschsprachigen medizinethischen Diskurs eingebracht zu werden. In diesem Artikel untersuchen wir, welche feministischen Perspektiven im deutschsprachigen medizinethischen Diskurs vertreten sind, und schlagen weitere Ansätze für eine feministische Medizinethik vor.Zu diesem Zweck zeichnen wir mittels einer systematisierten Literaturrecherche feministische Perspektiven im deutschsprachigen medizinethischen Diskurs seit der Etablierung der Medizinethik als eigenständiger institutionalisierter Disziplin nach. Wir analysieren, welche Themen bereits innerhalb der Medizinethik aus einer feministischen Perspektive untersucht worden sind, und identifizieren Leerstellen. Basierend auf der Literaturrecherche, unseren eigenen Vorarbeiten sowie der Zusammenarbeit in der Arbeitsgruppe in der Akademie für Ethik in der Medizin „Feministische Perspektiven in der Bio- und Medizinethik“ stellen wir drei Thesen vor, die aus unserer Sicht einer Weiterentwicklung des deutschsprachigen medizinethischen Diskurses dienen können. Die erste These bezieht sich auf die Ziele feministischer Medizinethiken und besagt, dass diese (epistemische) Gerechtigkeit anstreben. Die zweite These stellt zentrale Eigenschaften von feministischen Medizinethiken als kritisch und kontext-sensibel heraus. In der dritten These diskutieren wir Intersektionalität und Postkolonialismus als theoretische Ansätze, die zu einer epistemisch gerechten, kritischen und kontext-sensiblen Medizinethik beitragen können. Wir argumentieren, dass feministische Perspektiven grundständig verankert werden sollten. Der Artikel schließt mit einem Ausblick auf die Arbeit der im letzten Jahr gegründeten Arbeitsgruppe in der Akademie für Ethik in der Medizin „Feministische Perspektiven in der Bio- und Medizinethik“.