Zusammenfassung
Hintergrund
Zu Beginn der Coronapandemie wurden auch in der Schweiz Personen im Alter ab 65 Jahren der besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppe zugeordnet. Aufgrund vermehrter Vorerkrankungen wurde vermutet, sie seien einem erhöhten Risiko für schwere Krankheitsverläufe ausgesetzt. Dadurch rückten ältere Personen in den Fokus der Aufmerksamkeit, wodurch deren gebrechliche und hilflose Seite betont wurde. Dies lässt Fragen offen, bezüglich der Selbsteinschätzung der älteren Menschen, was ihr konkretes subjektives Befinden und Erleben während der Pandemie betrifft.
Ziel der Arbeit
Die Studie ergründet die subjektive Sichtweise von Personen ab 65 Jahren und hat zum Ziel, ihre Alltagsbewältigung während der Pandemie zu untersuchen, insbesondere in Bezug auf die Auswirkungen auf ihre Lebenssituation, ihre Selbsteinschätzung als vulnerable Gruppe und ihre Ängste rund um COVID-19.
Material und Methoden
Es handelt sich um eine Längsschnittstudie im Mixed-Methods-Design, bei welcher von Ende April bis Mitte Juni 2020 2‑wöchentlich ein leitfadengestütztes Telefoninterview mit geschlossenen und offenen Fragen durchgeführt wurde. Es wurden 40 Personen (m = 18, w = 22) im Alter zwischen 65 und 90 Jahren zu verschiedenen Aspekten der Alltagsbewältigung während der Coronapandemie und ihren Folgen befragt. Die quantitativen Daten wurden deskriptiv ausgewertet. Die qualitativen Daten wurden mittels strukturierter Inhaltsanalyse mit induktiver Kategorienbildung evaluiert.
Ergebnisse
Die Studie zeigte, dass sich das Alltagsleben der Befragten trotz des Lockdowns zu Hause kaum veränderte. Auch wurde mehrheitlich über eine gute Stimmungslage berichtet. Als große Belastung wurden die sozialen Einschränkungen erlebt. Die Einordnung als Risikogruppe wurde als undifferenziert und willkürlich empfunden. Angst oder Sorgen hinsichtlich einer Ansteckung mit dem Coronavirus waren wenig vorhanden.
Diskussion
Die Befragten schienen die Krise deutlich besser bewältigt zu haben, als der öffentliche Diskurs nahelegte. Aktivitäten und Routinen können als Strategien im Alltag schützend gewirkt haben. Eine homogene Einteilung der älteren Personen als Risikogruppe vernachlässigt deren Ressourcen und fördert sowohl negative Stereotype als auch Altersdiskriminierung.