Das Paradigma Kollektiv

Abstract

Trotz seiner Einzigartigkeit gehört jedes Individuum unzähligen Kollektiven an, die sich aus der jeweiligen Dynamik von Gemeinsamkeit und Differenz entwickeln. Von dieser Prämisse ausgehend, präsentiert Klaus P. Hansen ein kollektivwissenschaftliches Paradigma, welches das Grundmodell Kollektiv-im-Kollektiv in seine Möglichkeiten und deren Bedingungen auseinanderfaltet. Um diese Varianten zu erfassen, werden die Begriffe »Multi-, Prä-, Pan- und Polykollektivität« eingeführt. Diese Begriffe eröffnen eine kleinteilige Sicht auf Sozialität, die ohne die Vereinheitlichungen Gesellschaft und/oder Kultur auskommt.

Kulturelle Brillen unter die Lupe nehmen. Überlegungen zu Kulturkonzepten im DaF/DaZ-Unterricht

“…Die Frage nach den Kollektiven (oder räumlichen Vorstellungen), mit denen Kultur in Verbindung gebracht wird, und der Rolle von "Nation", "Volk", "Sprachgemeinschaft" oder "geographischem Raum" dabei kann als eine Art "kulturkonzeptuelle Gretchenfrage" betrachtet werden: Welche Arten von Kollektiven werden angenommen, welche Eigenschaften werden ihnen zugeschrieben und auf welche Weise werden diese mit Kultur in Verbindung gebracht? Eine grundlegende Arbeit zu verschiedenen Arten von Kollektiven stammt von Hansen (2009) Und dass große Kollektive, insbesondere Nationen, wiederum nicht nur aus einzelnen Individuen, sondern ebenso aus komplex ineinander verschachtelten Kollektiven bestehen. Der "Multikollektivität" von Individuen steht also die "Polykollektivität" von Gesellschaft -und über Gesellschaften hinweg -gegenüber (Hansen, 2009, S. 116).…”

“…Ein kulturwissenschaftlicher Bezug auf Nation oder Territorium ist mittlerweile etwas verpönt (Assmann, 2020, S. 57), muss genau genommen jedoch nicht automatisch mit einem essentialistischen Anspruch daherkommen (Fornoff & Koreik, 2020, S. 46). Es kommt vielmehr darauf an, welche kulturellen Vorstellungen mit dem "Dachkollektiv" (Hansen, 2009) Nation verbunden werden und inwiefern berücksichtigt wird, dass nationale Identitäten "diskursiv produziert, reproduziert, aber auch transformiert und demontiert" (de Cillia & Wodak, 2009, S. 15) werden und demnach selbst kulturelle Gebilde sind.…”

Gibt es noch nationale Kulturen?

“…Grundlegend für den Multikollektivitätsansatz von Hansen (2009aHansen ( , 2009bHansen ( , 2017 8 ist, dass Individuen Kollektiven angehören und dass von Kollektiven Orientierungen und Gewohnheitsbildungen ausgehen, die auf das Verhalten der Individuen einwirken, ohne es jedoch zu determinieren. (Hansen 2009a: 175-181, Hansen 2009b: funktionsverwandte Kollektive, die trotz formaler Übereinstimmung und ähnlicher Tätigkeit nationale Unterschiede aufweisen -Hansen führt hier unter anderem politische Parteien wie die sozial-und christdemokratischen Parteien in Deutschland, Österreich und Großbritannien an, die, obwohl sie formale Übereinstimmungen aufweisen, sich bis hin in ihren Beziehungen, Feindschaften, Differenzen und Rivalitäten voneinander unterscheiden -und Unikatskollektive, die jeweils nur in einem Dachkollektiv vorkommen und außerhalb jeder Funktionsverwandtschaft stehen. Beispiele hierfür sind die deutsche "Gesellschaft zur Rettung des Genetivs" oder die amerikanische "National Rifle Association" in den USA.…”

“…Knapp skizziert und diskutiert werden: 1. die Aporien transkultureller Gesellschaftsmodelle und der Hybridisierung von Kulturen auf Basis des bereits in den 1990er-Jahren entwickelten Ansatzes der Transkulturalität von Welsch (2005Welsch ( , 2010Welsch ( , 2017) (Abschnitt 2), 2. Theorien zur Gegenständlichkeit und zum Bedeutungsgehalt von Nationen und nationalen Kulturen, wie sie unter anderem von Assmann (2020), Müller (2009), Fukuyama (2019) und Hansen (2009aHansen ( , 2009bHansen ( , 2017 vertreten werden (Abschnitt 3) -beide Konzepte veranschaulichen beispielhaft den gegenwärtig kontrovers geführten Diskurs um die Konstrukte Nation und nationale Kultur in den Kultur-und Sozialwissenschaften, auf die sich auch die 3. hieraus gehen -exemplarisch hierfür steht für Welsch das Kugelmodell der Kultur von Herder 3 -und in denen die kulturelle Formation eines Individuums durch dessen Heimat oder Nationalität bestimmt wird, sind daher aufzugeben: Sie sind angesichts hochgradig horizontal und vertikal differenzierter und kulturell durchmischter Gesellschaften nicht nur "deskriptiv falsch", sondern auch "normativ gefährlich und unhaltbar", weil sie auf Abwehr des Fremden und innere Homogenisierung ausgerichtet sind (Welsch 2005: 44).…”

Interkulturalisation in multikulturellen Teams : Entwicklung eines theoriegeleiteten und empirisch gestützten Analysekonzeptes

“…23ff. ; Hansen (2009), S. 41. "In all societies people belong to small primary groups that enforce conformity to norms and require cooperation to achieve group goals."…”