ZusammenfassungDer Aufsatz zeichnet die Einschränkungen des zivilgesellschaftlichen Aktivismus während der sogenannten autoritären Wende in der Türkei nach, die seit 2011 zu beobachten ist und sich insbesondere nach dem gescheiterten Putschversuch vom 15. Juli 2016 weiter verschärfte. In diesem Kontext werden zwei Felder näher betrachtet: Der „Frauen-Aktivismus“ und die sogenannte „Dezentralisierung“. Ersteres beinhaltet Themen wie anti-feministische Diskurse, regierungsfreundliche Frauen-NGOs, vergeschlechtlichte Wohlfahrtspolitiken und Versuche einer Restituierung der patriarchalen Ordnung unter der AKP-Regierung. Der Dezentralisierungstopos betrifft Themen wie das fragwürdige Demokratisierungspotenzial der kommunalen Selbstverwaltungen unter den AKP-Kadern, die regierungsfreundlichen islamisch-karitativen NGOs, das Großprojekt İstanbul-Kanal und die Schirmherrschaften und klientilistischen Politiken der städtischen Governance. Diese Beispiele zeigen, dass die Grenzen zivilgesellschaftlichen Engagements unter der AKP-Regierung neu zu vermessen sind. Im letzten Teil wird – in Anlehnung an die Subjektivierungsformen im Zeitalter der neoliberalen Globalisierung nach Michael Hardt und Antonio Negri – der Frage nachgegangen, ob im Falle der Türkei aus einer hegemonietheoretischen Perspektive überhaupt noch von einem prekären zivilgesellschaftlichen Konsens gesprochen werden kann.