Die Trennung eines polynären Isotopengemisches durch Thermodiffusion wird am Beispiel des Sauerstoffs theoretisch und experimentell behandelt. Wegen des Vorhandenseins von drei Sauerstoffisotopen liegen sechs Molekelsorten 16O2, 16O17O, 16O18O, 17O2, 17O18O, 18O2 vor. Es wird vorausgesetzt, dass sich an den 1000° K heissen Trennrohrdrähten aus Platin‐Iridium isotope Gleichgewichte wie
im Vergleich mit den von der Thermodiffusion und der Konvektion abhängigen Gleichgewichten in einer Trennrohranlage schnell einstellen. Diese Voraussetzung wird empirisch geprüft, wobei noch kontrolliert wird, dass innerhalb des Massenspektrometers keine Verschiebung eines vorgegebenen Häufigkeitsverhältnisses der Sauerstoffmolekelsorten erfolgt.
Das Verhalten des hexanären Gemisches der Sauerstoffmolekeln wird unter zwei Voraussetzungen für den Thermodiffusionsfaktor α untersucht. Einmal soll α in «erster Näherung» proportional (mi − mk)/m sein, wobei m die mittlere Massenzahl bedeutet. Bei der «zweiten Näherung» wird α proportional (mi − mk)/mi + mk angesetzt. Die auf einer Horizontalstrecke dx im Temperaturfeld auftretende Entmischung bewirkt längs eines vertikalen Trennrohrelements dζ eine proportionale Entmischung. Indem man die Nullstelle von ζ so wählt, dass die atomare 17O‐Konzentration maximal wird, lässt sich unter Umgehung einer Integration die Konzentrationsverteilung der sechs Molekelsorte als Funktion der Längskoordinate ζ der Trennanlage berechnen. Die Eigenschaften der sich so ergebenden Kurven werden diskutiert. Der Wert von ζ lässt sich empirisch bestimmen.
In einer Trennanlage A von 40 m Gesamtlänge wurden aus Sauerstoff mit 1,5 bis 2,5% 18O‐Gehalt 12 Liter Konzentrat mit 30 bis 55% 18O gewonnen. Diese wurden in einer zweiten Trennanlage B von 24 m Gesamtlänge weiterverarbeitet. Dabei traten am schweren Ende einige Liter 18O2 mit einer Reinheit von 99,6% aus, während am leichten Ende an 18O abgereicherter Sauerstoff anfiel, der zur Anlage A zurückkehrte. Auf diese Weise konnte das äusserst schwierig anzureichernde Mittelisotop 17O die Anlage B nicht verlassen, so dass es bis zu einer Maximal‐konzentration von 6,2% angereichert wurde. In diesem Stadium wurde der Versuch abgebrochen und die Verteilung der Molekelsorten längs der Trennanlage gemessen. Es ergab sich schon für die erste Näherung eine ausgezeichnete Übereinstimmung mit der Theorie, die durch die zweite Näherung noch merklich verbessert wurde.
Aus der Theorie ergeben sich Richtlinien, um das Isotop 17O in Form von Kohlenoxid zu gewinnen. Dazu wird vorgeschlagen die Mischmolekel 14N15 als Hilfsgas zu verwenden, die vom isosteren 12C17O durch Thermodiffusion im Trennrohr nicht abgeschieden werden kann, während 12C16O am leichten und 12C18O am schweren Ende austreten müssen. Die Notwendigkeit einer Voranreicherung des 17O und der störende Einfluss des 13C und des BOUDOUARD‐Gleichgewichts werden in ihren qualitativen Auswirkungen besprochen.