ZusammenfassungMädchen und Frauen, die ungewollt schwanger werden und eine Abtreibung durchführen lassen, sind von Stereotypisierung und Stigmatisierung betroffen: Typischerweise schreibt man ihnen Leichtsinn und Verantwortungslosigkeit zu (sonst hätten sie sich ja nicht „in diese Lage gebracht“) sowie Kaltherzigkeit und Egoismus (sonst würden sie ja nicht „einfach ungeborenes Leben töten“). Um diesem Abtreibungsstigma entgegenzuwirken, die realen Lebenslagen der Betroffenen sichtbar zu machen und reproduktive Selbstbestimmung zu fördern, setzt sich die Pro-Choice-Bewegung schon lange für das öffentliche Sprechen über persönliche Abtreibungserfahrungen ein. Der vorliegende Beitrag beschreibt, wo und wie authentische Abtreibungsgeschichten in alten und neuen Medien geteilt werden und inwiefern dies mit Empowerment im Sinne von sozialer Unterstützung und politischem Aktivismus für reproduktive Rechte verbunden ist. Dabei wird auch verdeutlicht, dass es gleichzeitig zu Disempowerment kommt: Denn zum einen erhalten Frauen, die von selbstbestimmten Abtreibungen erzählen, regelmäßig Hassnachrichten. Zum anderen werden von der Anti-Abtreibungsbewegung gezielt Erfahrungsberichte verbreitet, die beweisen sollen, dass Abtreibungen in der Regel traumatisierend wirken und von den Frauen am Ende selbst bereut werden, weshalb man sie besser verbieten sollte. Aktuell scheinen im deutschsprachigen Raum die Stimmen zu überwiegen, die beim öffentlichen Sprechen über Abtreibungserfahrungen für reproduktive Autonomie eintreten. Schlussfolgerungen für die Forschung sowie für die Praxis der Sexual- und Medienpädagogik werden abgeleitet.