ZusammenfassungIm Umgang mit den Herausforderungen durch fortschreitende Digitalisierung in der Pflege stellt das Erfahrungswissen von Pflegenden und Pflegebedürftigen eine bedeutsame immaterielle Ressource dar. Sie müssen in ihrem Alltag mit der Beherrschung von Komplexität und Handhabung von Unwägbarkeiten umgehen und können als Praxis‑, Nutzungs- und Bedarfsspezialist*innen die Anforderungen an Zugang, Nutzung und Gestaltung von Technologien am besten einschätzen.Trotzdem bestehen zwischen Pflegepraxis und Forschung der Pflegewissenschaft Lücken und es gelingt oft nicht, die Ergebnisse von Forschung und Entwicklung in der Pflege erfolgversprechend mit der pflegerischen Alltagspraxis zu verbinden und Ergebnisse zu überführen. Einen wichtigen Grund sehen wir in der fehlenden Multiperspektivität und Partizipation von Forschung und Entwicklung, deren Prozesse häufig von der sozialen Praxis der Akteur*innen (Pflegenden und Pflegebedürftigen) entkoppelt sind. Dieser von uns konstatierte Vermittlungsbedarf kann sich durch Digitalisierungsprozesse verschärfen, wenn Praxiswissen nicht in die Gestaltung einfließt; wird Praxiswissen jedoch soziotechnisch geleitet einbezogen, entsteht zugleich eine Chance, die Position und Gestaltungsmacht von Pflegenden und Pflegebedürftigen aufzuwerten.Das „Gender Extended Research and Development Model“ (GERD-Modell) stellt Übersetzungswissen bereit, welches intersektionale Geschlechterforschung mit Informatikforschung und -entwicklung verschränkt. Das Modell rekonfiguriert Technikentwicklung als soziotechnisch und zielt auf Diskriminierungsfreiheit, Emanzipation und breite gesellschaftliche Partizipation bei Digitalisierungsprozessen ab. In diesem konzeptionell angelegten Beitrag diskutieren wir am Beispiel des GERD-Modells in der Nutzung für die Pflege den Mehrwert, aber auch Herausforderungen soziotechnischer Perspektiven.