ZusammenfassungAuch wenn Deutschlands Performanz bei den Infektions- und Todeszahlen sowie den wirtschaftlichen und sozialen Folgen in Verbindung mit COVID-19 im EU27-Vergleich als zufriedenstellend bewertet würde, stellt sich die Frage nach der Input-Legitimität durch demokratische Verfahren. Sie wird ausgehend vom Konzept der Emergency Politics von Jonathan White am Beispiel Deutschlands mit seinem Notstandsregime der Bund-Länder-Konferenz und dessen Effekten auf die 16 Landesparlamente aufgeworfen. Anschließend daran wird argumentiert, dass die während der Pandemiewellen in den Jahren 2020 und 2021 vorherrschende Entscheidungsfindung und Beschlussfassung innerhalb der föderalen Staatsordnung einen Rahmen bildete, der den Parlamentsfunktionen weitgehend den Boden entzogen hat. Zentral für die Analyse ist die Darlegung der von der Pandemie evozierten Veränderung des Mehrebenen-Regierens durch die Bund-Länder-Konferenzen. Auswirkungen dieser von der Exekutive dominierten Krisenbewältigungspolitik wird für die auf der Landesebene wichtigsten Parlamentsfunktionen, die Kontrolle durch Mitregieren, Oppositionskontrolle, Gesetzgebung sowie das Herstellen von Öffentlichkeit, diskutiert. Empirische Grundlagen bilden Presseberichte, nichtöffentliche Beschlussvorlagen und Beschlüsse der Bund-Länder-Konferenz sowie Bevölkerungsbefragungen. Der Aufsatz schließt mit der Empfehlung, zukünftige Notstandspolitik institutionell besser vorzubereiten und dabei einen Platz für den Landesparlamentarismus vorzusehen.