Zusammenfassung
Ziel der Studie Die Covid-19-Pandemie hat die Akteure der beruflichen
Rehabilitation vor neue Herausforderungen gestellt. In der vorliegenden Studie
interessieren wir uns für die folgenden Fragen: Wie haben Akteure wie
Leistungserbringer beruflicher Rehabilitation (LE) und die Bundesagentur für
Arbeit (BA) als Reha-Kostenträger die Covid-19-Pandemie erlebt, welche
Prozessänderungen und Verzögerungen sind eingetreten, und welche Auswirkungen
hat dies möglicherweise auf die berufliche Rehabilitation der Zukunft?
MethodikIm Rahmen von leitfadengestützten Expert*inneninterviews haben wir
zwischen Juli 2020 und Juli 2021 24 Interviews mit 29 Personen geführt (LE:
n=16; BA-Kontext: n=8) und sie zu ihren Erfahrungen während der
Covid-19-Pandemie befragt. Die Interviews wurden aufgezeichnet, transkribiert
und in MAXQDA kodiert; die Analysen des transkribierten Materials basieren auf
einem aus induktiven und deduktiven Kategorien entwickeltem System.
Ergebnisse Qualifizierungsmaßnahmen mussten aus der Ferne durchgeführt
werden. Diese digitalen Möglichkeiten mussten erst geschaffen werden. Die Folge
daraus ist, dass auch die berufliche Rehabilitation gezwungen wurde, sich
technologisch weiterzuentwickeln, wodurch Chancen (der Maßnahmeerbringung) und
Grenzen (z. B. Erwerb sozialer Kompetenzen oder Einschätzung des psychischen
Zustands) deutlich wurden. Während der alternativen Maßnahmeerbringung war eine
kontinuierliche zusätzliche Betreuung durch die LE unabdingbar, um psychische
Krisen einzudämmen, das Verständnis für die Qualifizierungsinhalte zu
gewährleisten und Abbrüche zu vermeiden. Ebenso wie Schulen waren auch die
Arbeitsagenturen und Jobcenter lange Zeit geschlossen und es fanden weder Reha-
noch allgemeine Berufsberatung noch die Beurteilungsverfahren zur Ermittlung des
Reha-Bedarfs beim Ärztlichen Dienst/Berufspsychologischen Service statt. Ein
Rückgang in den Zugängen zu beruflicher Rehabilitation zeichnet sich schon
länger ab, er ist aber insbesondere für 2021/22 vermehrt zu beobachten. Personen
aus SGB-II-Haushalten sind möglicherweise stärker betroffen, da es schwieriger
für die Agenturen und Jobcenter ist, mit ihnen in Kontakt zu bleiben.
Schlussfolgerung Auch wenn die berufliche Rehabilitation einen großen
digitalen Schub erfahren hat, haben die Erfahrungen aus der Pandemie gezeigt,
dass vor allem für junge Menschen und Personen mit psychischen Behinderungen
Maßnahmen in Präsenzformaten mit sozialen Kontakten wichtig sind. Dennoch muss
die berufliche Rehabilitation sich mit der Arbeitswelt verändern, um zu
verhindern, dass Menschen mit Behinderungen (weiter) abgehängt werden.