ZUSAMMENFASSUNGCharakteristisch für Psychosen ist eine Vielzahl an Symptomen, die sich in Veränderungen und Unsicherheiten der Wahrnehmung, der Identität und insbesondere der Beziehung zur Außenwelt manifestieren. Besondere Relevanz in der Behandlung von Menschen mit Psychosen haben der Aufbau stabiler und vertrauensvoller therapeutischer Beziehungen, auch um Eskalationen vorzubeugen und Zwangsmaßnahmen zu vermeiden. Starre Stationsstrukturen und -regeln lassen allerdings wenig Raum und Flexibilität für die individuellen Bedürfnisse und Erklärungsmodelle von Menschen in (psychotischen) Krisen. Vor diesem Hintergrund und aus den praktischen Erfahrungen heraus, wurde 2010 in der Psychiatrischen Universitätsklinik der Charité im St. Hedwig Krankenhaus (PUK-SHK) ein neues Recovery-orientiertes Behandlungskonzept, das Weddinger Modell, entwickelt und implementiert. Nach 10 Jahren Arbeit mit dem Weddinger Modell gibt es neben den guten praktischen Erfahrungen zahlreiche wissenschaftliche Befunde, die dessen Wirksamkeit hinsichtlich Beziehungsförderung und Zwangsvermeidung auf verschiedenen Dimensionen belegen. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die Kernelemente des Weddinger Modells sowie die wissenschaftlichen Befunde. Diese werden im Hinblick auf die spezifischen Erfordernisse in der Behandlung von Menschen in psychotischen Krisen dargestellt und in den Verlauf einer psychiatrischen Behandlung eingeordnet. Die praktische Relevanz der Forschungsergebnisse und die flexible und ressourcensparende Umsetzbarkeit des Weddinger Modells im (akut-)psychiatrischen Setting werden diskutiert.