ZusammenfassungDie Inzidenz der intrazerebralen Blutung unter oraler Antikoagulation (OAK-ICB) steigt aufgrund der demografischen Entwicklung und der daraus resultierenden Zunahme an Patienten, die bei einem Vorhofflimmern antikoaguliert werden. Die OAK-ICB stellt eine der schwerwiegendsten Formen des hämorrhagischen Schlaganfalls dar, ist charakterisiert durch größere Blutungsvolumina, vermehrten Ventrikeleinbruch sowie häufigere und prolongierte Nachblutungen. Der Einfluss dieser Prognoseparameter mündet schließlich in eine erhöhte Sterblichkeit und ein hohes Maß an bleibender funktioneller Beeinträchtigung. Doch gerade bei diesem schweren Erkrankungsbild fehlt meist eine belastbare Evidenz, sodass die aktuellen internationalen und europäischen Leitlinien häufig nur schwache Therapieempfehlungen abgeben können. Im Rahmen der Akutbehandlung einer OAK-ICB ist das Hauptziel eine Minimierung der Hämatomprogression, welche durch Blutdruck- und Gerinnungsmanagement möglicherweise erreicht werden kann. Für alle OAK-ICBs erscheint die sofortige und aggressive Blutdrucksenkung auf einen systolischen Zielwert von 140 mmHg (mind. innerhalb von 4 – 6 Stunden) nach Aufnahme sinnvoll und für intrazerebrale Blutungen unter Vitamin-K-Antagonisten konnte eine Assoziation mit einer reduzierten Nachblutungsrate aufgezeigt werden. Die Antagonisierung der OAK-ICB sollte immer so rasch wie möglich, aber in Abhängigkeit von der jeweiligen oralen Antikoagulation erfolgen. Für die Vitamin-K-Antagonisten assoziierte ICB konnten große multizentrische Arbeiten in den letzten Jahren beitragen ein präziseres Vorgehen zu definieren. In Rahmen einer deutschlandweiten Kohortenstudie an knapp 1200 OAK-ICB (unter Marcumar bzw. Falithrom) konnten erstmals konkrete Zielwerte identifiziert werden. Eine Antagonisierung sollte mindestens bis zu einem INR-Wert < 1,3 bzw. 1,2 mindestens innerhalb von 4 Stunden nach Aufnahme erfolgen. Mittel der Wahl sollten Prothrombinkomplexkonzentrate (PPSB) sein, um eine rasche und vollständige Antagonisierung zu erzielen. Durch dieses kombinierte Procedere konnte eine deutliche Minimierung der Hämatomwachstumsraten und eine reduzierte Krankenhaussterblichkeit verzeichnet werden. Seit kurzem steht für Dabigatran assoziierte Blutungen ein Antidot (Idarucizumab) zur Verfügung, welches in Studien eine rasche und nahezu vollständige Elimination sowie suffiziente Hämostase aufzeigen konnte. Für Blutungen unter Faktor Xa-Inhibitoren besteht aktuell großer Handlungsbedarf, da bislang kein Antidot verfügbar ist und es ebenso unklar ist, ob in der klinischen Praxis eine relevante Antagonisierung durch gängige Substanzen, z. B. PPSB oder gefrorenes Frischplasma (GFP) erreicht werden kann. In dieser Übersichtsarbeit liegt der Schwerpunkt auf der Akut-Behandlung einer OAK-ICB und versucht anhand der aktuellen Datenlage konkrete Behandlungsoptionen aufzuzeigen. Ferner werden gegenwärtige Studien zur intensivmedizinischen Behandlung der ICB beleuchtet, um daraus relevante Implikationen für die Therapie einer OAK-ICB abzuleiten.