Ganzkörper-EMS (WB-EMS) eine relativ neue Trainingstechnologie deutschen
Ursprungs, wurde etwa 2006 kommerziell verbreitet und erfreut sich aktuell in ca.
2700 kommerziellen nicht-medizinischen Einrichtungen (zur Hälfte
spezialisierte Mikrostudios) 1 ansteigender
Beliebtheit. Nicht zuletzt durch diese frühe Markteinführung und die
schiere Präsenz seiner kommerziellen Anwendung zeigen sich Probleme und
Entwicklung dieser Trainingstechnologie oft zunächst in Deutschland. Nach
Publikation erster Einzelfallstudien 2
3
4 und Medienberichten zu negativen
gesundheitlichen Effekten (u. a. Spiegel online 2015, 4
5) in Deutschland und Israel wurden 2016 erste
Forderungen nach einer offiziellen Regulierung durch die zuständigen
Behörden veröffentlicht („its time to regulate whole-body
electromyostimulation“ 4). Obgleich die
DIN 33961-5 6 sowie die Empfehlungen 7 und Kontraindikationen 8 des Fachkreises WB-EMS, Aspekte wie Sicherheit,
Effektivität, Überwachung und Dokumentation eingehend adressieren,
gingen diese Normen dem Gesetzgeber nachvollziehbarerweise nicht weit genug. Im Jahr
2019 veröffentlichte das deutsche „Bundesministerium für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU)“ die zu erwartende
novellierte Strahlenschutzverordnung, die unter Artikel 4 neben Ultraschall- und
Lasergeräte, auch die nichtmedizinischen Anwendungen im Bereich EMF und
damit auch WB-EMS einschließt („Anwendungen nichtionisierender
Strahlung am Menschen“; NiSV)9. Die im
Januar 2021 in Kraft getretene NiSV regelte damit mehrere Aspekte der kommerziellen
WB-EMS-Anwendung. Der erste Aspekt der NiSV konzentrierte sich überwiegend
auf die obligatorische Meldung und Registrierung bei/durch der/die
örtliche(n) Aufsichtsbehörde und enthält Hinweise auf die
ordnungsgemäße Einrichtung des Geräts und Einweisungen durch
den Hersteller, die erforderlichen Kenntnisse für Inspektion und Wartung
sowie die Funktionsprüfung vor jedem Einsatz. Der zweite Aspekt der NISV
legte den Fokus auf die Aufklärung der Kunden und umfasste Informationen zu
Anwendung und Wirkung von WB-EMS, Risiken und mögliche unerwünschte
Effekte. Im Gegensatz zur DIN 33961–5 6
bleibt die NiSV insbesondere bei der WB-EMS Anwendung vage, so bleiben zentrale
Kriterien von Sicherheit und Effektivität wie Betreuungsschlüssel,
Überwachung und Interaktion 12 in der
NiSV unerwähnt. Der dritte Aspekt der NiSV bezieht sich auf die
„Dokumentation“, nicht nur in Bezug auf Installation, Wartung,
Störungen und Schäden des Gerätes, Einweisung und
Qualifikation des Personals, sondern (Anlage 2, NiSV) ebenfalls auf die individuelle
WB-EMS-Anwendung. Letzteres beinhaltet sowohl die Dokumentation der
WB-EMS-Spezifikationen wie Impulsfrequenz, -intensität und Expositionsdauer,
als auch die Dokumentation der Langzeitanwendung (Trainingsplan,
Trainingshäufigkeit, Progression) inklusive unerwünschte Wirkungen,
deren Ursache, Folgen und Maßnahmen zu deren Beseitigung. In Anbetracht der
Tatsache, dass die derzeitige Generation von WB-EMS-Geräten die
entsprechende Spezifikation speichern und übertragen, bleibt der Aufwand
für die Anlagen und Anwender jedoch akzeptabel. Die wichtigste Neuerung der
NiSV ist schließlich die verpflichtende Zertifizierung
(„Fachkunde“) der WB-EMS Trainer, durch anerkannte
Schulungsträger . Im Bereich des WB-EMS ist die Voraussetzung für
die Fachkunde-Ausbildung eine Übungsleiter- bzw. Trainerlizenz oder eine
vergleichbare Ausbildung mit einem Schulungsumfang von mindestens 120 Lerneinheiten
(à 45 Minuten). Die Inhalte und Vorgaben der zusätzlichen
WB-EMS-Fachkunde-Ausbildung mit einem Schulungsumfang von 24 Lerneinheiten werden
vom NiSV detailliert vorgeschrieben, unterscheiden sich aber bis auf wenige
Ausnahmen nicht vom bisherigen Curriculum der anerkannten Bildungsträger.
Dem Umstand der enormen Anzahl an nicht oder nicht ausreichend zertifizierten
WB-EMS-Trainern geschuldet, wird der NiSV-Aspekt der Fachkunde nicht vor Januar 2022
in Kraft treten. Inwieweit dieser Zeitraum ausreichend ist, einen regulären
Betrieb der kommerziellen Einrichtungen zu gewährleisten, bleibt fraglich.
Neben der schieren Anzahl an benötigten Zertifizierungen kollidiert ein
weiterer formaler Aspekt mit der Verfügbarkeit von vorsichtig
geschätzten 5000 WB-EMS-Trainern, die „der Markt“ im Jahr
2022 benötigt. Obgleich die formale Akkreditierung einer
Personenzertifizierungsstelle nach DIN EN-ISO/IEC 17024 6 durch die amtlich bestellte Stelle (Deutsche
Akkreditierungsstelle, DAkkS) derzeit (noch) nicht verpflichtend ist, sichert sie
die Konformitätsannahme mit der DIN EN-ISO/IEC 17024 durch die
Aufsichtsbehörden, die ansonsten die entsprechende Konformität des
Zertifikats bezweifeln und letztlich nicht anerkennen können. Die
Akkreditierung nach DIN EN-ISO/IEC 17024 6 ist allerdings ein aufwändiger, sehr strenger und
kostenpflichtiger Prozess – mit Blick auf den deutschen Markt ist zu
vermuten, dass nur eine Handvoll Bildungseinrichtungen die Kriterien der
Akkreditierung erfüllen können. Neben dieser strukturellen
Problematik der Bereitstellung einer ausreichenden Anzahl von zertifizierten
Trainern steht die weitere Entwicklung des WB-EMS-Marktes (nicht nur) in Deutschland
vor großen Herausforderungen. Im Zusammenhang mit der verschärften
Regulierung der NISV und deren Kosten, der COVID-19 induzierten Schließung
von WB-EMS-Einrichtungen in Deutschland und dem
„Peleton“-Phänomen fokussieren sich neue
Geschäftsmodelle auf die nicht-supervisierte WB-EMS-Anwendung zu Hause.