Zusammenfassung: Als "Währung individueller Verantwortlichkeit" stehen namentliche Abstimmungen im spannungsverhältnis zwischen kollektiver und individualisierter Repräsentation. Die vorliegende studie beleuchtet, wie Parteien im Wettbewerb um Wählerstimmen diese Wäh-rung gezielt in umlauf bringen. Indem sie namentliche Abstimmungen beantragen, lenken fraktionen - meist die Opposition - den Blick der Öffentlichkeit auf individuelles Abstimmungsverhalten, um ihre eigenen Kandidaten als Wahlkreisdiener zu empfehlen oder deren Konkurrenten dem Druck gegenläufiger Wahlkreisinteressen auszusetzen. Fraktionen greifen zu diesem Mittel umso häufiger, je stärker das Wahlsystem kandidatenzentriert ist. Eine Analyse von 115 Wahlperioden aller deutschen Länderparlamente seit 1967 zeigt, dass wahlsystemische Anreize und die Häufigkeit namentlicher Abstimmungen folgerichtig miteinander korreliert sind und namentliche Abstimmungen zu etwa 80 % von der Opposition nachgefragt werden. Auch qualitative evidenz aus Interviews und Plenarprotokollen spricht für die Bedeutung von namentlichen Abstimmungen als Währung individueller Verantwortlichkeit.Schlüsselwörter: Namentliche Abstimmungen · fraktionsgeschlossenheit · Individuelle Verantwortlichkeit · Deutsche Bundesländer