ZusammenfassungDie sporadische zerebrale Mikroangiopathie umfasst altersabhängige
Veränderungen der kleinen Hirngefäße, die durch das
Vorliegen vaskulärer Risikofaktoren beschleunigt werden. Die
mikrovaskulären Wandveränderungen entwickeln sich eher langsam,
mit möglichem Beginn bereits in der mittleren Lebensphase –
über Dekaden – und zeigen einen stadienhaften Verlauf. Dieser
wird durch eine Aktivierung von Zellen der neurovaskulären Einheit, wie
Endothel und Perizyten, induziert und setzt sich dann über eine
Blut-Hirn-Schranken-Störung, den Umbau der extrazellulären
Matrix und Neuroinflammation zu den Spätstadien aus Blutungen,
synaptischer und neuronaler Dysfunktion fort. Begleitend kommt es bereits
früh zu Störungen der perivaskulären Drainage von
neurotoxischen Substanzen und deren Akkumulation im Hirngewebe. Die Diagnose der
Mikroangiopathie erfolgt allgemein im Wesentlichen anhand der “Standards
for Reporting Vascular Changes on Neuroimaging 2” in der
Magnetresonanztomographie, und die der zerebralen Amyloidangiopathie im
Speziellen anhand der neuen Boston-Version-2.0 Kriterien. Klinisch kann die
Mikroangiopathie asymptomatisch verlaufen oder sich in einem sehr heterogenen
phänotypischen Spektrum manifestieren. Kognitive Defizite und
Schlaganfallsymptome sind hier, je nach Kohorte, sicher die häufigsten
Präsentationen. In der Therapie und Beratung betroffener Patienten steht
die Kontrolle vaskulärer Risikofaktoren sowie die Empfehlung
körperlicher und kognitiver Aktivität zusammen mit einer guten
Schlafhygiene, die die perivaskuläre Drainage fördert, im
Vordergrund. Herausfordernd bleiben individuelle Konstellationen der
Ischämieprävention durch Antikoagulantien bei gleichzeitig hohem
Hirnblutungsrisiko, v. a. bei Vorliegen einer kortikalen superfizialen
Siderose. Die sehr dynamischen wissenschaftlichen und translationalen
Entwicklungen im Feld der zerebralen Mikroangiopathie zielen auf die Etablierung
von Bildgebungs- und anderen Biomarkern, z. B. in Blut und Liquor, ab,
die bereits die frühen Krankheitsstadien erfassen, bevor es zur
Hirnparenchymschädigung und klinischen Symptomen kommt. Entsprechend
fokussiert werden sich neue Therapieansätze auch dezidiert auf die
Stabilisierung der neurovaskulären Einheit und eine Verbesserung der
Drainagefunktion konzentrieren. Die Mikrovaskulatur und deren
Veränderungen spielen auch für das Verständnis anderer
neurologischer Erkrankungen aus dem Feld der primären Neuroimmunologie
und Neurodegeneration eine zentrale Rolle. Einige, bisher als separate,
neurologische Entitäten betrachtete Erkrankungen könnten
zukünftig folglich zunehmend als Spektrum ähnlicher
pathophysiologischer Prozesse verstanden werden. Das legt perspektivisch den
Grundstein für die Entwicklung und Anwendung überlappender
Therapiekonzepte.