EinführungReine Enantiomere werden entweder über eine Racematspaltung oder eine asymmetrische Synthese hergestellt. Bei der Racematspaltung erhält man beide Enantiomere, allerdings mit einer theoretischen Ausbeute von nur 50 %, asymmetrische Synthesen ergeben nur ein Enantiomer mit einer theoretischen Ausbeute von 100 %. Diese hö-here theoretische Ausbeute kann die Kosten senken und die Umweltbelastung reduzieren.Eine Schwäche der asymmetrischen Synthese ist die Wahrscheinlichkeit von 50 %, dass das resultierende Enantiomer das falsche ist. Sind chemische Reagentien oder Katalysatoren beteiligt, ist die Lösung einfach: Man setzt das Reagens oder den Katalysator in der richtigen enantiomeren Form ein, um das gewünschte Enantiomer herzustellen. In der Biokatalyse ist diese Vorgehensweise nicht möglich -enantiomere Biokatalysatoren kommen in der Natur nicht vor. Diese Einschränkung wird oft als ein schwerwiegender Nachteil der Biokatalyse angeführt.Zwar kommen enantiomere Biokatalysatoren in der Natur nicht vor, dieser Kurzaufsatz zeigt aber, dass enantiokomplementäre Biokatalysatoren überraschend häufig sind. Enantiokomplementäre Biokatalysatoren haben funktionell spiegelbildliche aktive Zentren und katalysieren die gleichen Reaktionen, es werden aber entgegengesetzte Enantiomere gebildet. Solche enantiokomplementären Biokatalysatoren heben die Einschränkung auf, die durch das Fehlen von spiegelbildlichen Biokatalysatoren entsteht.Ein weiterer Grund zur Untersuchung von enantiokomplementären Enzymen ist die Aufklärung der molekularen Grundlagen der Katalyse. Enantiokomplementäre Enzyme katalysieren die gleichen Reaktionen, haben aber mögli-cherweise unterschiedliche Proteinstrukturen und/oder verEine häufig zitierte Schwäche der Biokatalyse ist das Fehlen spiegelbildlicher Enzyme, um in asymmetrischen Synthesen jedes der beiden Enantiomere herstellen zu können. Als Lösung für dieses Problem hat die Natur enantiokomplementäre Enzyme entwickeltalso Enzympaare, die dieselben Reaktionen katalysieren, aber entgegengesetzte Enantiomere bevorzugen. Diese Proteine sind nicht spiegelbildlich, aber sie enthalten funktionell spiegelbildliche aktive Zentren. Um spiegelbildliche aktive Zentren zu erhalten, kann die Natur die Position der Bindungsstellen und/oder der wichtigsten katalytischen Gruppen verändern. Dieser Kurzaufsatz stellt Röntgen-kristallstrukturen von enantiokomplementären Enzymen vor und klassifiziert diese nach der Anordnung der spiegelbildlichen aktiven Zentren in vier Gruppen.[