ZusammenfassungDie balancierte und reziproke adaptive Interaktion zwischen Muskel und Knochen ist essenziell für die Fortbewegung von Organismen und die Erhaltung ihrer stabilen Form unter Vermeidung von Frakturen und Verletzungen. Muskeln erzeugen durch Kontraktion physikalische Kräfte, die auf die Muskulatur selbst und auf das stabilisierende Skelett wirken. Das Kraftniveau wird von der Gravitation und der Masse des eigenen Organismus bestimmt. Steigerung der Kräfte und Wiederholung der Reize haben anabole Wirkung, Immobilisation und Simulation von Mikro-Gravitation führen zum Verlust von Muskel und Knochen. Die Einwirkung physikalischer Kräfte auf Zellen wird in biochemische Signale umgesetzt und generiert biologische Effekte. Die molekularen Mechanismen des Mechanosensing und der Mechanotransduktion sind in den letzten 2–3 Dekaden sehr intensiv erforscht worden. Dehnung, Kompression und Flüssigkeitsströmung verursachen über Verbindungen durch Adhäsionsmoleküle an die Extrazellulärmatrix und zwischen den Zellen sowie über das Primäre Zilium eine „Second-messenger“-Aktivierung wie Kalzium-Einstrom, cAMP- und cGMP-Produktion und Aktivierung von Rezeptoren und Kinasen. Im Gefolge werden Transkriptionsfaktoren nukleotrop, die dann an DNA-responsive Steuerelemente binden und Transkription modulieren. Die Änderungen des Proteoms der Zelle führen zur vermehrten Bildung von Strukturproteinen zur Verstärkung des Zytoskeletts und der Zell-Zell-Adhäsion, sodass sich die Steifigkeit und die Rückstellkraft der Zelle und des Gewebes auf ein höheres Kraftniveau einstellen, ohne durch Ruptur oder Fraktur Schaden zu nehmen. Neben der physikalischen Interaktion durch die Kräfte des Muskels werden auch über Sekretionsprodukte von Muskel und Knochen Informationen ausgetauscht. Die Sekretionsprodukte initiieren und regulieren mit großen Überlappungen in ihrer Funktion die interaktive Adaptation und Regeneration in beiden Geweben. Neben der tonischen Produktion von Proteinen mit einer sekretorischen Sequenz können beide Gewebe auch auf mechanische Reize hin Vesikel abgeben, die als Fracht präsynthetisierte Rezeptoren, Wachstums- und Differenzierungsfaktoren und orchestrierende miRNAs transportieren können. Da weder Knochen noch Muskel echte endokrine Vesikel bilden können, werden Exosomen in die Zirkulation abgegeben. Ein auslösender Reiz dafür ist ein Kalzium-Einstrom als Folge von mechanischer Stimulation/Trainingsaktivität. Mit zunehmendem Wissen ergibt sich hier ein Bild der unerwartet intensiven Auswirkung mechanischer Kräfte auf die Zellbiologie und Biochemie von Geweben. Wir beginnen gerade, diese Auswirkungen in der Physiologie zu verstehen, während wir im Verständnis der Störungen einer gesunden Adaptation, z. B. im Sinne von Überlastung oder Trainingsresistenz, besonders bei chronischen Erkrankungen wie Osteoporose und Arthrose noch sehr am Anfang stehen.