I.Sei~ J. L. Koch in seinem 1888 ersch~enenen Leitfaden der Psyehiatrie ein besonderes Kapitel den ,,psychol0athischen Minderwertigkeiten" widmete, hat sieh der Begriff des Psychopathen Biirgerrecht erworben. Je bedeutungsvoller er wurde, nicht zuletzt im Bereich der prakr Anwendung auf kriminalpsychologisehe und forensische Fragestellungen, nm so mehr bemiihte man sich um seine begriffliehe ](1/irung. Je nach den psychologischen, biologischen oder soziologisch orientierten Ausriehtungen weehselte der:Begriffsinhalt. Die Divergenz der Auffassungen, die aus diesen verschiedenen Betraehtungsweisen entspringt, ist nieht gering. Wenn man exakt sein wollte, mfil3te man bei Beniitzung des Wortes ,,Psychopathie" jewefls hinzusetzen, in welchem Sinne man es anwende$. Paul SchrSder pl/idiert daher daffir: ,,Es kann nieht Aufgabe der Zukunft sein, seinen Inhalt einheitlieh und eindeut.ig nmsehreiben zu wollen. Der Begriff mug zersehlagen werden, sowei~ er es nieh~ bereits ist". Psyehopathenlehre k6nne niehts anderes bedeu~en als ,,Charak~erotogie augerhalb der Spielbreite des Durehsehnittliehen und Normalen". Dem stimmt im Grunde Kurt Schneider zu, wenn er meint, daft es lediglieh praktische Griinde sind, die den Psychopathiebegriff beibehalten lassen. Als Wissensehaltler diirfe man strenggenommen nur yon der ,,abnormen Pers6nlichkeit" sprechen. Auch in dieser l%rmulierung kommt der Verzieht auf einen wissensehaftliehen Psyehol0athiebegriff zum Ausdruck, der auf eine engere begriffliehe Basis als die einer bloBen Abweiehung vom Durehsehnitt gestellt ist. Fiir die Verwendung, in der Praxis erweist sich abet der Begriff der ,,abnormen Pers6nliehkeit" als zu unbestimmt. In irgendeinem Mal3e weichen ja alle Mensehen yon dem fiktiven J)urchschnittsmal3 ab und .sind somit als ,,abnorm" anzuspreehen. Da man nun gezwunge n ist, in der Praxis mit einem Psychopathiebegriff zu arbeiten, der enger ist als der des abnormen Charakters, so steht man vor dem Dilemma, in der Praxis einen Begriff nicht entbehren zu k6nnen; den man theore~iseh mit den Mitteln, Gesichtspunkten und Methoden der psychiatrischen Wissenschaft nicht eindeutig zu bestimmen vermag. Angesiehts dleser unbefriedigenden Sachlage glauben Archiv ftir Psychiatrie, Bd. 116.
16ttans Kiihn: I)ber das Verh<nis der vitMen damit in Zusammenhang stehenden Struktur der Geftthle verstand. So definiert Kurt Schneider Pers6nliehkeit sis ,,das Ganze des Fiihlens, Wertens, Strebens und Wollens mit Ausschlug der leiblichen GefiiMe, leiblichen Strebungen und der auf ihnen beruhenden Wertnngen"] Die abnorme/Pers6nliehkeit sei niehts anderes als eine Variation, die erheblieh vom Durehsehni~t abweiehe. Der no v611ig wertfrei gewonnene Begriff der ,,abnormen Pers6Ifliehkeit'.' sei konstituierend fiir den wissen-schaf~liehen Psyehopathiebegriff, nicht die praktischen, yon den versehieclensten, meist sozialen Wertperspektiven geleiteten Gesiehtspunkte, die die Veranlassung dazu g/~ben, aus der ungeheuren Fiille der abnormen Pers6nliehkeiten eine Auswahl zu treffen und diese dann Psyehopathen...