Zusammenfassung
Dieser Beitrag vertritt die These, dass die von Allianzen während des Kalten Krieges veranlasste technische Standardisierung von Artilleriemunitionskalibern und die daraus resultierenden technologischen und industriellen Pfadabhängigkeiten auch auf dem heutigen globalen Rüstungsmarkt nachwirken und die strategische Tiefe der an großen Konflikten beteiligten Akteure mitbestimmen. Zentral ist dabei die Analyse globaler Standards, Arsenale und Rüstungsmarktbedingungen für Artilleriesysteme und Munition. Aufbauend auf bestehenden Konzeptualisierungen von strategischer Tiefe, Standardisierung und globalem Waffenhandel wird das Modell „Vertikale Standardisierung, horizontale Versorgung, erhöhte strategische Tiefe“ entwickelt, um die theoretischen Erwartungen für Artilleriesysteme und Munitionsstandardisierung zu beschreiben. Die Ergebnisse zeigen, dass in den weltweiten Artilleriearsenalen die Standardkaliber der NATO und des Warschauer Paktes dominieren. Schließlich macht der aktuelle Krieg in der Ukraine deutlich, dass die Ukraine durch den Zugang zum Weltmarkt in der Lage ist, ihre Streitkräfte weiterhin mit indirektem Artilleriefeuer zu unterstützen, und zwar weitgehend durch den Import von standardisierter Artilleriemunition – sowohl für NATO- als auch für Warschauer-Pakt-Kaliber. Diese internationale Lieferantenbasis ist somit ein integraler Bestandteil der strategischen Tiefe der Ukraine.