Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts entwickelten Gouy, Chapman und Stern eine Theorie der elektrochemischen Doppelschicht in verdünnten Elektrolytlösungen. Diese erlaubt die Berechnung der Kapazität einer Elektrolyt/Elektroden-Grenzfläche aus der Ionenverteilung nahe der Elektrode. Nach einem Jahrhundert intensiver Forschung konnten entscheidende Fortschritte im Verständnis der Elektrolyt/Elektroden-Grenzfläche erzielt werden. Allerdings wirft die genaue molekulare Grenzflächenstruktur und deren Zusammenhang mit dem angelegten Elektrodenpotential gegenwärtig noch immer Fragen auf. Insbesondere ionische Flüssigkeiten, eine neue Klasse von lösungsmittelfreien Elektrolyten, können durch klassische Modelle nicht beschrieben werden. Jüngste Molekulardynamiksimulationen und phänomenologische Theorien haben versucht die Kapazität der ionischen Flüssigkeit/Elektroden-Grenzfläche durch die molekulare Struktur und die Dynamik der ionischen Flüssigkeit nahe der Elektrode zu erklären. Allerdings sind experimentelle Belege rar. In der vorgelegten Arbeit wurde die Ionenverteilung einer ionischen Flüssigkeit nahe der Elektrodengrenzfläche und deren Reaktion auf ein angelegtes Elektrodenpotential mit submolekularer Auflösung untersucht. Hierfür wurde eine Probenzelle entworfen, welche sowohl für in situ Röntgenreflektometrie unter Potentialkontrolle als auch für elektrochemische Impedanzspektroskopiemessungen geeignet ist. Die Kombination von struktureller und elektrochemischer Information ermöglicht einen tiefen Einblick in das Wesen der elektrochemischen Doppelschicht. So wurden oszillierende Ladungsdichteprofile bestehend aus alternierenden Kation-und Anion-angereicherten Lagen nachgewiesen, welche sowohl bei anodischem als auch kathodischem Potential vorhanden sind. Diese Grenzflächenstruktur ist eine direkte Folge von intrinsischen Ladungskorrelationen, welche auch die Volumenstruktur prägen und als charakteristische Röntgenstrukturpeaks beobachtet wurden. Zur Beschreibung dieser Korrelationen wurden bereits existierende physikalisch motivierte Modelle erweitert und durch unabhängige Messungen bestätigt. Die induzierte Relaxationsdynamik der Grenzflächenstruktur nach einem Potentialsprung wurde mittels zeitaufgelöster Röntgenreflektometrie mit einer Zeitauflösung unterhalb einer Millisekunde untersucht. Die gemessenen Relaxationszeiten stimmen mit Impedanzspektroskopieergebnissenüberein. So konnten drei getrennte Prozesse auf drei unterschiedlichen Zeitskalen identifiziert werden. Der Ionentransport senkrecht zur Grenzfläche geschieht im Bereich einer Millisekunde. Ein zweiter Prozess, auf einer Zeitskala von hundert Millisekunden, konnte einer molekularen Umorientierung an der i Grenzfläche zugeordnet werden. Schließlich wurde ein langsamer Prozess auf Minutenskala beobachtet, der möglicherweise einer lateralen Ordnung der adsorbierten Ionenlage zugeschrieben werden kann. ii
AbstractIn the early 20th century, Gouy, Chapman, and Stern developed a theory to describe the capacitance and the spatial ion distribution of dilu...